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Freitag, 4. Dezember 2015

4. Dezember
Spät war es  gestern geworden, bis Opa endlich mit den Gästen kam.  Sehr spät, wie Ole fand. Er hatte nicht mehr ruhig sitzen können und war dann auf die Idee gekommen, die dritte Geschichte in seinem Adventskalender zu lesen. Ihm fiel auf, das Oma noch gar nicht gebacken hatte und er nahm sich vor, sie danach zu fragen, wann sie das wohl tun wolle. Emilia hatte fleißig weiter genäht und dann mit Leo die Gardinen im Gästezimmer aufgehängt, während Oma eine neue Bettdecke gemacht hatte. Dann meinte sie: „ Sagt mal, was kochen wir denn für die Gäste? Habt ihr eine Idee?“ „Scholle! Die mögen sie bestimmt. Mist, ich hab ja meine letzte der Möwe gegeben, was mach ich denn nun?“ „Deutsches Essen natürlich, was Rheinisches zum Beispiel“, war Leos Kommentar dazu. „ Ich könnte noch mal Bratkartoffel mit Speck vertragen und Gürkchen von Oma dazu.“ und so war es beschlossene Sache. Oma sollte kochen für alle, weil ja jeder noch was zu tun hatte. Oma zog eine Augenbraue hoch und seufzte. „Dachte ich es mir doch, es bleibt an mir hängen.“ Ole legte sein Buch zur Seite und rief, so laut er konnte: „ Oma, du kochst ja auch am allerbesten.“ So also ging Oma in ihre Küche, Emilia nähte noch ein paar Kissen und Leo und Ole beschlossen, es müsse ein größerer Tisch ins Esszimmer. Sie stiegen auf den Dachboden und kramten so lange herum, bis sie etwas Passendes gefunden hatten. Als sie gerade mit dem letzten Teil angeschleppt kamen, hörte Ole den Schlüssel in der Haustüre quietschen und ließ einfach den Stuhl fallen, den er gerade trug. „Sie kommen, sie kommen! Opa ist da!“ Er stürzte zum Balkongeländer und winkte wie verrückt: 

„ Hier sind wir! Willkommen im Adventshaus.“ Opa kam zur Türe herein, hörte Ole rufen und grummelte: „Darf ich erst mal richtig reinkommen, bevor ich meine Fahrgäste aus ihrer Behausung herauslasse?“Gemächlich ging er zur Garderobe, grinste und hängte seine Jacke auf. Ole hüpfte auf dem Balkon herum, man hätte denken können, er steht auf glühenden Kohlen. Endlich öffnete Opa  seine Arbeitstasche und sagte freundlich: „Alles aussteigen. Zielort erreicht. Willkommen in der Eifel meine Herrschaften. Es herrschte gespannte Ruhe im Flur, selbst Oma hatte  im Türrahmen der Küche Aufstellung genommen und lauschte gespannt. Man hörte ein Rascheln und Kichern in der Tasche und dann kamen drei rote Zipfelmützen zum Vorschein. Ole war über die Leiter vom Balkon heruntergestiegen und  laut: „Endlich endlich!“ rufend tanzte er um Opas Füße herum. die roten Zipfelmützen schoben sich über den Rand der Tasche hinaus und man konnte drei Köpfe sehen. 

Drei Nisserköpfe schauten sich vorsichtig um und als sie Ole entdeckten, stiegen sie ganz heraus. Oma schlug die Hände über dem Kopf zusammen. „ Die sind ja viel zu leicht angezogen, morgen sind die sicher krank.“ Ole meinte nur, er würde sofort einheizen im Kamin und die Drei  schüttelten den Kopf. Das Mädchen in der Mitte schaute zu Ole hinüber und erklärte dann mit leiser Stimme: „ Uns ist nicht kalt geworden, die LKWs waren gut geheizt und wir haben von dem Mann da Tee bekommen. Alles ist gut.“ Oma war zur Tasche geeilt und hielt den Dreien ihre Hand entgegen, damit sie keine Kletterpartie machen mussten, um in Oles Haus zu kommen. Zögernd traten sie dann auch wirklich nacheinander auf ihre Hand und wurden vorsichtig zum Puppenhaus getragen. Dort hatte Emilia schon den Tisch gedeckt und zur Feier des Tages das gute Porzellan hervor geholt. Unsicher standen die Gäste in der Stube und erst, als Ole sie nacheinander umarmt hatte und sie sanft zum Tisch schob, nahmen sie dort Platz.

 Oma zog Opa hinter sich her in die Küche und meinte: „Lassen wir die Nisser erst mal unter sich sein. Morgen werden wir sicher mehr über sie erfahren. Sie sind bestimmt müde und wollen gleich ins Bett. „Du hast Recht, Schatz, sie sind müde und ich bin hungrig.  Was gibt es denn Gutes zu Abend heute?“ Oma lachte: „ Das Gleiche wie bei Nissers. Leo hat sich Bratkartoffel mit Speck und Gürkchen gewünscht für die Gäste.“ „Ich mag Leo, der hat gute Ideen“. grinste Opa und setzte sich an den Tisch. Alle ließen es sich schmecken und dann hörte Oma, wie im Puppenhaus die Betten aufgeteilt wurden und es kehrte Ruhe ein.
Opa war, wie immer, früh zu Bett gegangen und Oma hatte noch eine Weile den Nissern beim Schlafen zugesehen, bevor sie selbst auch zu Bett ging.

 Als sie heute Morgen aufstand, fand sie auf dem Küchentisch eine Holztruhe vor, die sie noch nie gesehen hatte. Ob das ein Geschenk von der heiligen Barbara war? Vorsichtig griff sie danach und wollte sie gerade öffnen, als aus dem Flur vom Puppenhaus her ein lautes:“Finger weg!“ ertönte und sie zusammenzucken ließ. Sie zog ihre Hand zurück und ging in den Flur. Dort stand einer der Nisserjungs auf dem Balkon und schaute sie böse an. „Was machst du da mit unserer Reisetruhe? Die gehört uns und du darfst sie nicht öffnen!“ Omas zerknirschtes: „ Entschuldige bitte, ich habe gedacht, es sei ein Geschenk der heiligen Barbara an mich, weil es über Nacht auf dem Küchentisch erschienen ist. Heute ist Barbaratag und da findet man kleine Geschenke, zumindest hier in der Eifel.“ Bevor sie weiterreden konnte, rief Ole aus seinem Badezimmer: „ Ja, und sie verschenkt Blumen, die nicht blühen. Naja, jedenfalls heute noch nicht.“ Der kleine Nisser sah fragend von einem zum anderen und Ole meinte, das sie ein tolles Gesprächsthema fürs Frühstück. Oma nickte und deckte in der Küche für sich und die Nisser das Frühstück ein. Nach einer Weile meldete sich Ole aus dem Puppenhaus mit den Worten: „Wir wären dann soweit, Oma, du kannst uns abholen.“ Das ließ Oma sich nicht zweimal sagen. Sie flitze zum Puppenhaus und nahm in jede Hand je drei Nisser, um sie in die Küche zu bringen. Dort setzte sie alle vorsichtig auf dem Tisch ab und wartete darauf, was geschehen würde. Als niemand ein Wort sagte, stellte Oma sich mit vor mit den Worten: „Dann mach ich den Anfang: Ich bin die Oma und Ole nennt uns seine Hausleute, weil uns das Haus gehört, in dem er jetzt wohnt. Das da sind Leo und Emila, die habt ihr ja schon gestern kennen gelernt und wer der Frechdachs dort ist, muss ich wohl kaum erklären. Den kennt ihr ja schon seit dem Sommer.“ Ole sah Oma entrüstet an und rief: „ Ich bin kein Frechdachs, ich bin ein Nisser, die müssen so sein!“ Da endlich meldete sich die kleine Nisserdame zu Wort: „Guten Morgen Frau Oma, ich bin die Lisbeth und komme wie die anderen hier aus Dänemark. Der Herr in Blau ist mein Mann Mads und der vorlaute Kerl im Hemd ist mein Bruder Anders. Wir sind auf Einladung von Ole zu ihnen gekommen und bedanken uns herzlich für den netten Empfang gestern Abend und auch für das leckere Essen. Das war genau so gut wie zu Hause das Biksemad.“ Oma sah mehrfach von einem zum anderen und versuchte, sich die Namen einzuprägen. Sie griff nach ihrem ersten Brötchen, schmierte ein wenig Butter darauf und murmelte immer wieder: „Mads, Lisbeth, Anders….“  Auch die Nisser, einschließlich Leo und Emilia sprachen dem Frühstück ordentlich zu und als alle satt waren, war es wieder einmal Ole, der seine Neugierde nicht zügeln konnte. „Was habt ihr denn nun in der Kiste und wie ist die auf den Tisch gekommen? Wir haben doch alle geschlafen.“ Mads rieb sich das Kinn und sagte dann: „ Das kann nur der Mann gewesen sein, den du Opa nennst. Die Kiste hatten wir in seiner Tasche verstaut und ich denke, er hat sich erst heute Nacht, als er zur Arbeit musste, daran erinnert. In der Kiste sind übrigens unsere Weihnachtsgeschenke drin, drum durftet ihr nicht ran. Ich hoffe, ihr versteht das?“ „Geschenke? Für uns?“ Wieder war es Ole, der vorlaut diese Frage stellte. Oma schüttelte tadelnd den Kopf. „Ole Nisser, ich frage mich wirklich, ob du das jemals in den Griff bekommst mit deiner Neugier. Du könntest glatt ein Kravlenisser wie die Drei dort, die mir aber irgendwie viel zu gut erzogen vorkommen. Ich habe soviel gehört über diese Kravlenisser, das es mir Angst und Bange wurde, als du sie angekündigt hast.“ Anders, der bis jetzt still am Tisch gesessen hatte, erhob sein dünnes Stimmchen und widersprach Omas Worten: „Liebe Frau Oma, wir sind keine echten Kravlenisser, da hat Ole etwas falsch verstanden. Unsere Familie gehört den schwedischen Tomten an und ist aus Versehen mit einem Postschiff nach Jütland gekommen. Seit dem leben wir dort und tun unser Bestes, den Ruf der Nisser zu verbessern.“ „Tomte seid ihr? Wie wundervoll! Ich wollte immer schon gerne welche kennenlernen, seit ich als Kind von ihnen gelesen habe. Willkommen in unserem Haus. Und habt keine Scheu, es mir zu sagen, wenn ihr irgendwelche Wünsche habt oder etwas fehlt im Haus. In meiner Sammlung im Bastelzimmer gibt es sicher eine Menge Kram, den ihr gut gebrauchen könnt.“ Anders sah sie erstaunt an und fragte dann: „Haben sie auch Spielzeug für Nisserkinder?“ Lisbeth trat unter dem Tisch nach ihm und sein lautes: „Aua, warum trittst du mich?“ ließ Oma schmunzeln. Ein wenig Nisserblut schien dieser kleine Tomte doch zu haben, wenn man nach dem vorlauten Mundwerk ging. Sie begann damit, den Tisch abzuräumen und fragte dann ganz allgemein: „Muss ich noch jemandem behilflich sein beim Einrichten im neuen Zuhause oder kann ich mich um den Plätzchenteig für morgen kümmern?“ Freudig rief Ole: „Nee, nee, Oma, mach du mal schön den Teig und wir helfen den Tomten, damit wir morgen alle zusammen backen können.“ Mads bat Oma noch darum, die Kiste ins Haus zu bringen, weil sie so schwer sei und dann ging jeder einer Arbeit nach. Jedenfalls hatte Oma sich das so gedacht bis zu dem Moment, als im Flur lautes Jubelgeschrei ertönte. Natürlich wieder mal von Ole und kurz darauf auch von Anders. Als sie fragend um die Ecke schaute hielt Ole einen ganzen Arm voll Schokolade in die Höhe und rief: „Oma, die Barbara war da und hat uns dieses Jahr Schokolade gebracht. Genau sechs Tafeln, für jeden eine. Die weiß aber auch alles, deine Barbara.“ 

Oma lächelte und nickte, bevor sie wortlos wieder in der Küche verschwand, um ihren Teig zu Ende zu kneten. Dabei lauschte sie den munteren Gesprächen in der Puppenstube und freute sich schon darauf, was die Tomte ihr im Laufe des Monats so alles erzählen würden. Nett jedenfalls waren sie, das musste man ihnen lassen.



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