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Samstag, 5. Dezember 2015

5. Dezember

Etwas war anders als sonst. Oma bemerkte es sofort. Rauchgeruch im Flur! „Hilfe, es brennt, es brennt!“ war alles, was sie herausbrachte, bevor sie zum Telefon stürzte und die Feuerwehr anrufen wollte. „Stopp! Oma! Es brennt nicht! Wir backen!“ schrie Ole aus Leibeskräften und Oma ließ verdutzt das Telefon sinken. Gott sei Dank hatte sie noch nicht gewählt. Das wäre ja megapeinlich gewesen, wenn sie der Feuerwehr etwas von einem Brand erzählt hätte und die mit dem C-Schlauch angerückt wäre, um das Puppenhaus zu löschen.

Mads stand mit der Axt in der Hand im Schuppen neben dem Pferdestall und Lisbeth schaute verschwitzt von einem Blech mit Kaneelschnecken auf, die sie gerade in den Ofen schieben wollte. In diesem Augenblick kamen auch Leo und Emilia die Treppe herunter gehechtet um den Aufruhr zu erkunden. Lisbeth schaute betreten zu Oma herüber: „Entschuldigen sie, Frau Oma, ich dachte, das sei normal, das der Ofen benutzt wird. Zuhause hatten wir keinen Elektroherd, ich kann damit nicht umgehen und war froh, diesen wunderbaren Holzbackofen hier vorzufinden. Durfte ich den etwa nicht anheizen?“  Kopfschüttelnd ging Oma zur  Kaffeemaschine, kochte sich eine Tasse guten Kaffee und setzte sich seufzend an den Tisch. „Das kann ja heiter werden mit der Nisserei und den Tomten“, murmelte sie, bevor sie laut sagte: „ Meine Damen und Herren, wir haben etwas zu besprechen, ich lade sie alle zum Frühstück ein. Der Ofen muss warten.“ Eilig fand sich die ganze Mannschaft in der Küche ein und wurde auf den Tisch gehoben. Ole tat als sei nichts geschehen. Er schmierte sich ein Brot und schlürfte genüsslich an Omas gutem Kaffee. Oma räusperte sich und begann damit, den Nissern und den Tomten zu erklären, dass man sie bitte bei solch ungewöhnlichen Dingen am Abend vorher informieren solle. „Jaja, die Oma mag Überraschungen nicht und schon gar nicht vor dem ersten Kaffee.“Das war Ole, der mal wieder sein vorlautes Mundwerk nicht zügeln konnte. „Stimmt auffallend!“ antwortete Oma ein wenig säuerlich. „Aber das konnten Mads und Lisbeth nicht wissen , denke ich mal. Nur bitte fürs nächste Mal beachten: Offenes Feuer nur nach vorheriger Ansage und mit Löscheimer daneben, meine Herrschaften. Das ist wirklich nicht ungefährlich.“ Zerknirscht nickten die Tomte mit den Köpfchen und es tat Oma fast schon leid, dass sie so streng sein musste. „Naja, es ist ja noch mal gut ausgegangen, bitte heizt den Ofen nur an, wenn ich in der Nähe bin. Dann kann nichts passieren.“ Mads trat an sie heran und lehnte sich an die leere Kaffeetasse. Er schaute sie schuldbewusst an und erklärte: „Man muss doch mitten in der Nacht schon anheizen, wenn man früh backen will. So ein Ofen braucht sehr viel Holz und Zeit, bis er die richtige Temperatur hat. Lisbeth will doch noch Knäckebrot machen nach den Schnecken und noch irgendwas, was ich schon wieder vergessen habe. Das dauert einen ganzen Tag und wenn man nicht früh genug anheizt, wird man nicht fertig. So hat mein Großvater es mich gelehrt und Anders soll das auch so von uns lernen. Tut uns leid, wenn wir sie erschreckt haben, Frau Oma. Dürfen wir jetzt weiter backen gehen?“ Sie nickte: „ Natürlich dürft ihr. Jetzt weiß ich ja, dass alles in Ordnung ist. Ach ja: Ich heiße nicht Frau Oma, ich bin eine Oma und alle nennen mich nur so und duzen mich. Ihr dürft das selbstverständlich auch tun. Frau Oma klingt so, hmmmm, ja wie nur? Nun ja, ich hörs jedenfalls nicht gern. Oma reicht und mein Man ist einfach der Opa.“ Die Tomte bedankten sich und dann gings wieder los mit anheizen und backen in der Remise des Puppenhauses.

 Leo und Emilia murmelten was von einkaufen und Verwandte besuchen und verschwanden im Nu aus der Küche. Einzig Ole blieb sitzen und leistete Oma Gesellschaft bei ihrem, mittlerweile kalten, Kaffee. „Und was machen wir zwei Hübschen nun mit dem angefangenen Tag Oma? Mir ist langweilig. Backen ist nicht so meins, wenn es mit Feuer ist. Du weißt schon….Filz riecht schnell angesengt.“ „Also mir ist nie langweilig, einen Tag vor dem Nikolausfest. Ich hab genug zu tun, weißt du doch noch aus dem letzten Jahr, oder?“  „ Nikolaus? Kommt der noch mal? Ich hab mir noch gar nichts gewünscht und die Tomte wissen auch noch nix davon, dass der morgen kommt. Ich glaube , ich setze mich vor die Remise und lese denen mal vor, was letztes Jahr passiert ist. Die müssen doch bescheid wissen.“ Oma lachte laut: „ Daraus wird wohl nichts, junger Mann. Die Seite für morgen in deinem Buch ist doch noch leer .Aber du kannst ja versuchen, es selber zu erklären, sofern die Herrschaften darüber noch nichts wissen sollten.“ Ole grummelte vor sich hin: „Ich hab doch die Hälfte schon vergessen. Na ja, ich werd es versuchen.“ So also blieb Oma alleine in der Küche und begann damit, ihren alljährlichen Dekorationsmarathon zu absolvieren. Ole erzählte den Tomten von der Nikolaustradition und schaute dabei zu, wie ein Blech herrlich duftender Kaneelschnecken nach dem Anderen aus dem Ofen kam.

Er traute sich nicht, um eine Kostprobe zu bitten und so verließ er seinen Posten auf der Bank vor der Remise und nahm an seinem Küchentisch Platz, um einen Wunschzettel zu schreiben. Gerade hatte er begonnen, den ersten Satz zu schreiben, da kam Anders zur Küchentüre herein und schaute ihm neugierig auf die Finger. „Was machst du da Ole? Schreibst du einen Brief?“ „Nein, das ist ein Wunschzettel an Sankt Nikolaus, der beschenkt hier die Leute jedes Jahr und wenn man brav war, kriegt man auch, was man sich wünscht.“ „Ah, du schreibst an den Julemand? Der Brief geht also zum Nordpol?“ „Nein, der Julemand heißt hier Christkind und kommt hier auch an Weihnachten. Der Nikolaus ist jemand ganz anderes und der kommt morgen schon. Störe mich bitte nicht länger, ich bin spät dran mit dem Brief.“ Anders stand mit großen Augen neben Ole und glaubte ihm kein Wort. Zweimal Geschenke in einem Monat? Das stimmte ganz sicher nicht. Er rief nach Oma und als diese ihm Oles Aussage bestätigt hatte, schlich er traurig ins Wohnzimmer. Oma konnte sich keinen Reim darauf machen und nahm ihn vorsichtig in die Hand. „Was hast du denn, kleiner Anders? Was macht dich so traurig?“ „Ach Oma, ich habe diesem Nikolaus noch nie einen Brief geschrieben, bei uns gibt es nur den Julklapp, da rumpelt es an der Tür, eine Hand kommt durch einen Spalt ins Zimmer und wirft Süßes oder ein kleines Geschenk ins Zimmer, aber wünschen kann man sich da nix.“ „Nun, das können wir ändern. Ich kann dir Papier geben und du schreibst gemeinsam mit Ole deine Wünsche auf. Vielleicht kommen die Zettel noch rechtzeitig an und deine Wünsche erfüllen sich morgen schon. Aber denk daran, der Nikolaus ist kein Millionär und er will auch gerne ein schön geschmücktes Haus vorfinden, wenn er zu Besuch kommt. Und genau deshalb muss ich jetzt auch weitermachen, sonst muss ich mich morgen schämen." Sie reichte ihm ein schönes Stück Papier und bat Ole darum, ihm auch einen Bleistiftmine zu überlassen.

Dann verschwand sie auf dem Dachboden und man hörte sie rumpeln und poltern, bis sie alle Kisten mit dem Weihnachtsschmuck durchsucht hatte und zufrieden mit einem großen Korb voller schöner Dinge die Treppe herunter kam. In Oles Küche wurde immer noch fleißig geschrieben, Mads hackte weiteres Holz und Lisbeth stand mit roten Bäckchen immer noch am Backofen und passte auf, das ihr Gebäck nicht zu dunkel wurde. Alle hatten genug zu tun und niemandem mehr war es langweilig, wie Ole noch heute Morgen behauptet hatte. Als es draußen Dunkel wurde, kamen auch Emilia und Leo nach Hause und verkündeten, sie würden die ganze Nisserei heute Abend mit Essen versorgen. Zum Kochen war Lisbeth nun wirklich nicht gekommen und Opa bekam heute auch nur ein Brot mit Spiegelei und Schinken. Aber das machte gar nichts, der Opa freute sich sogar darüber, es war eines seiner Leibgerichte. Müde aber glücklich fielen alle nach dem Abendessen in ihre Betten und Oma berichtete dem Opa vom Feueralarm am Morgen. Der lachte und meinte nur: „Na, da hab ich uns ja was Feines ins Haus gebracht. Wird sicher noch interessant werden bis Weihnachten.“ Ein Blick in Omas Gesicht sagte ihm, dass sie ähnlich dachte und beide mussten lachen.


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