"Jetzt reicht es mir" rief sie und stürmte zur Haustüre.
Öffnen und Losschimpfen geschah im gleichen Augenblick. "Was fällt dir ein, schwer beschäftigte Omas bei der Arbeit zu stören, du ungezogenes Kind?" Weiter kam sie nicht, denn sie musste feststellen, dass wieder niemand zu sehen war. Langsam wurde ihr die Sache unheimlich.
Sie überlegte, ob sie nun auch noch einen Pumuckl am Hals hatte und es beschlich sie ein seeeehr ungutes Gefühl. Was würde der Opa wohl mit ihr machen, wenn sie den nun versehentlich hereingelassen hätte.Schnell schloss sie zum zweiten Mal die Tür und murmelte:"Hoffentlich ist er nicht schon drinnen."Da! Es klingelte schon wieder! Durchs Glasfenster in der Haustür konnte sie niemanden sehen und so beschloss sie, vorsichtshalber nur von drinnen nach draußen zu rufen und nicht noch einmal zu öffnen. Noch bevor sie etwas sagen konnte, hörte sie durch die geschlossene Tür eine Stimme rufen: "Nun lass uns doch endlich rein. So schnell,wie du sind wir nicht und auch nicht unsichtbar wie der berühmte Pumuckl. Das ist ein entfernter Verwandter von uns.!"
Zögernd öffnete Oma noch einmal und steckte nur den Kopf aus der Türe hinaus auf die Straße.Nichts zu sehen......."Hier sind wir", klang es aus Richtung der Glocke, die so oft und lange gebimmelt hatte. Oma drehte den Kopf und schlug dann die Hände über dem Kopf zusammen. "Wer um Himmels Willen seid ihr und was macht ihr hier bei mir?"
An der Kette der Türglocke turnte ein riesiger Nisser herum und oben auf dem Halter saß eine Nisserfrau, die Mühe hatte, einen großen Koffer festzuhalten.
Verlegen schauten die Nisser zu Boden. "Also, das ist so: Wir machen Couch-Surfing-Urlaub in Deutschland und hatten eigentlich in der Eifel ein paar Tage bleiben wollen. Nun ist was Fürchterliches passiert. Die Dame, die uns aufnehmen wollte, hat abgesagt. Sie war über unsere Größe nicht informiert und konnte uns keine passende Schlafgelegenheit bieten.Da wir nun aber nicht so einfach auf einem Menschensofa schlafen dürfen, Nisser sind nun mal geheime Wesen und zeigen sich nur denen, die fest an sie glauben, sah sie keine Möglichkeit, uns zu beherbergen. Ihr Puppenhaus jedenfalls war viel zu klein für uns. Wir haben dann noch ein paar Kekse bekommen und eine warme Tasse Tee, während sie im Internet nach Abhilfe für unser Problem suchte. Die Puppenhausleute sind ja irgendwie alle untereinander verbunden, glaube ich. Na ja, jedenfalls bekam sie den Tipp, uns bei dir in der Nähe abzusetzen, weil man munkelt, du hättest nicht nur ein großes Herz für Nisser, sondern auch bestimmt eine Möglichkeit, uns unterzubringen.Und da sind wir!"
Mit immer größer werdenden Augen hatte Oma dem Bericht gelauscht und saß nun ein wenig ratlos an ihrem Küchentisch.
"Oma, nun biete doch dem Besuch erst mal was zum Sitzen an" ertönte es da neben ihr auf dem Stuhl. Leise hatte sich Ole herein geschlichen und der Geschichte vom Couch-Surfing gelauscht. Insgeheim machte er schon Pläne, ob das nicht auch mal was für ihn wäre, aber erst einmal musste er den Beiden auf dem Tisch helfen.
Oma schaute ihn an: "Ich wette, du hast schon eine Idee, worauf sie sitzen sollen, oder?" "Aber klar doch! Du hast doch zwei Schaukelstühle oben in deinem Bastelzimmer. Die passen perfekt!"
Schon war er durch die Küchentür verschwunden, flitzte die Treppe hinauf und rief von oben:" Nun komm doch schon, sie sind mir zu schwer."
Dieser Ole! Immer wieder überraschte er Oma mit seiner Hilfsbereitschaft, auch wenn er oft genug Unfug anstellte und manchmal wirklich nerven konnte.
Rasch eilte sie ihrem Freund zu Hilfe, trug die Schaukelstühle in die Küche und stellte sie auf den Tisch. "Darf ich euch bitten, diese Sitzgelegenheiten auszuprobieren, bevor wir Kriegsrat halten, wie es mit euch weitergehen soll?" Die beiden Nisser sanken erleichtert auf die Stühle und waren begeistert, wie genau diese für sie passten. Ole hüpfte mitten in den Adventskranz und ließ sich auf der Dekoschleife nieder.
Man sah, wie in Omas Kopf die Gedanken ratterten, wie und wo sie die beiden unterbringen könne, was ihr Mann dazu sagen würde und überhaupt: wie lange die Beiden bleiben wollten.
Sie hatte die ganze Zeit in ihrem Kaffee gerührt und führte dann die Tasse zum Mund. Ole grinste schon die ganze Zeit und als sie mit einem: " Schon wieder kalt!" das Gesicht verzog, lachte er aus vollem Halse. "Ich habs gewusst, ich habs gewusst!" Oma schaute ihn tadelnd an und schämte sich für sein ungezogenes Verhalten vor den Besuchern. Doch als sie genauer hinschaute, bemerkte sie, dass auch die beiden sich ein Lachen kaum verkneifen konnten. Na, das konnte ja heiter werden. Noch mehr Nisser, die wohl den Schalk im Nacken hatten.
"Ole, du bist gemein!" sagte sie mit tadelndem Blick und schaute dann auf die Neuankömmlinge.
"Nun zu euch Zweien: Erstens:Wie heißt ihr? Zweitens: Woher genau stammt ihr und was noch viel interessanter ist: Wie lange möchtet ihr bleiben?"
Genau in diesem Augenblick drehte sich der Schlüssel in der Haustüre und Opa kam vom Einkauf zurück. Sie hörte ihn mit den Tüten rascheln und war ein wenig bange vor seiner Reaktion beim Anblick der Szene auf dem Küchentisch. Da war er auch schon! Wie angewurzelt stand er im Türrahmen, ließ die Taschen achtlos auf den Boden fallen und trat näher an den Tisch heran. Ein langer Seufzer war alles, was er von sich gab.
"Mich trifft keine Schuld!" riefen Oma und Ole wie aus einem Mund. Opa musste lachen und dachte sich seinen Teil.
Da endlich meldete sich der Nisser von seinem Schaukelstuhl aus zu Wort. "Darf ich uns vorstellen: Gunnar und Ylva Tomte aus Trondheim in Norwegen. Auf Couch-Surfing-Urlaub durch Deutschland und hier auf Empfehlung einer Vermieterin gelandet." "Angenehm, Oma und Opa aus der Eifel ,Anlaufstelle für alle gestrandete Nisser" grinste Opa und schaute Oma dabei an. Der plumpste ein Stein vom Herzen, dass der beste aller Ehemänner die Sache so locker sah.
Während Oma nun ihre Sammlung nach brauchbaren Dingen für die Norweger durchsuchte, unterhielt sich Ole mit den Beiden und klärte sie über die anderen Bewohner des Hauses auf. Opa ging in den Hof, um das Auto zu putzen und schüttelte dauernd den Kopf darüber, was da so ganz ohne sein Zutun vorging. Das alles nahm langsam beängstigende Dimensionen an und er musste sich wirklich bald etwas überlegen, wo all die Besucher untergebracht würden, falls sich noch mehr entscheiden würden, in der Eifel zu bleiben. Insgeheim hatte er nämlich die Befürchtung, dass dieser Advent noch Überraschungen bereithalten würde.