14.
Dezember
Alle
waren rechtschaffen müde gewesen gestern Abend. Trotzdem hatten sie den Markt
noch aufgeräumt, abgebaut und alles verstaut und verpackt. Opa hatte das Karussell
wieder auf den Tieflader gestellt, damit Hein Seemann zeitig wieder abreisen
konnte und dann waren alle zufrieden in ihre Betten gekrochen. Auch Oma und Opa
waren zufrieden und müde gewesen nach dem Besuch des Weihnachtsmarktes in
Ahrweiler. Jeder träume von Maronen, Glühwein, wunderschönen Spielzeugen und
weihnachtlichen Angeboten an den Ständen. Ob nun in Menschengröße oder winzig
klein für Nisser. Früh um 5 hatte Opas Wecker geklingelt und als er nach unten
kam, um sich seinen Kaffee zu kochen und dann ins Bad zu gehen, saß Hein
Seemann schon in seinem LKW und bat durch das heruntergekurbelte Fenster, er
möge ihn doch bitte aus der Hintertüre wieder herauslassen mit seinem Schwertransport.
„Aber sicher doch, Herr Kollege“, sagte Opa und tat, um was er gebeten wurde.
Er wünschte noch „allzeit gute Fahrt“ und schon brauste Hein um die Ecke und
war verschwunden. Alle anderen im Haus schliefen noch tief und fest, als auch
Opa sich auf den Weg zur Arbeit machte. Zwei Stunden später stand auch Oma auf
und wunderte sich ganz und gar nicht, dass es so ruhig im Haus war. „Sollen sie
ruhig ausschlafen nach all dem Trubel gestern“, murmelte sie und holte die
Zeitung aus dem Briefkasten. Sie liebte die Ruhe bei der Zeitungslektüre früh am
Morgen. Ihr Kaffee war fertig, sie ging damit zum Tisch und dann sah sie etwas
sehr Kleines auf dem Tisch an ihrem angestammten Platz stehen.
Ein Griff und
schon hatte sie ihre Brille auf der Nase. Ohne konnte sie unmöglich sehen, was dort
auf sie wartete. „Ach, Anders hat es nicht vergessen! Er hat mir wirklich den
winzigen Nisser reserviert und gestern Abend noch hier auf dem Tisch
abgestellt.“ Oma redete gern mit sich selbst, wenn sie dachte, sie sei allein.
Sie nahm den Winzling in die Hand und sagte: „ Du hast mir schon vorgestern so
gut gefallen. Dich musste ich unbedingt haben. So etwas Schönes können nur
Nisser herstellen. Ich darf nicht vergessen, Anders nach dem Preis für dich zu
fragen.“
Ein feines Stimmchen ertönte. „ Du kannst mich nicht kaufen! Nisser
sind unverkäuflich. Sie suchen sich aus, wo sie wohnen und bleiben immer da, wo
es ihnen gut geht.“ Fast hätte Oma den Winzling fallen gelassen, so sehr hatte
sie sich erschrocken. Sie starrte auf ihre Hand und schüttelte den Kopf. „Das
glaub ich ja nicht! Der Winzling da redet ja! Du meine Güte, was mach ich denn
nun mit ihm?“ Die Antwort, die da aus ihrer Hand ertönte, verblüffte sie sehr. „Also,
wenn du mich meinst, ich wohne jetzt hier und die anderen, die Anders gemacht
hat, wollen auch hierbleiben. Dein Hausnisser, der Ole hat gesagt, das gehe in
Ordnung. Du hättest ein Haus für uns. Eines, das genau passt und nur von einer
alten Frau bewohnt wird, die sich furchtbar langweilt. Da können wir doch ein
wenig Leben in die Bude bringen, oder?“ Oma war sprachlos. Dieser Ole war wohl
von allen guten Geistern verlassen. Da vermietete er einfach so mir nichts -dir
nichts die alte Blockhütte, die sie vor vielen Jahren einmal für ihre Mutter
gebaut hatte und die nun als Dekoration im Eingang stand. Na der sollte was
erleben. Wenigstens fragen hätte er können. „Hör mal“, fragte sie den kleinen
Wicht, „ Anders wollte euch doch auf dem Weihnachtsmarkt verkaufen. Als ich
dich das letzte Mal gesehen habe, warst du aus Knete gemacht und hast steif und
starr mit den Übrigen auf dem Tisch gestanden. Wie um Himmels Willen geht das
zu, dass du nun hier mit mir redest?“ Mit einem Grinsen im Gesicht antwortete der
kleine Kerl: „Eine Oma wie du, die Geschichten erzählt, Nisser in ihr Haus
lässt und ans Christkind glaubt, die muss doch nicht nach den Geheimissen der
Weihnachtszeit fragen! Gestern waren die heilige Luzia, der Nikolaus und ein
Englein hier. Es gibt doch nichts, was die Drei nicht bewerkstelligen können,
oder? Jedenfalls hast du das gestern Abend noch deinem Enkel gesagt am Telefon.“
Da war sie nun mit ihren eigenen Waffen
geschlagen. Das hatte sie davon. Sprachlos starrte sie auf ihre Handfläche. Was
da wohl auf sie zukommen würde? Der Löffel klirrte und klimperte, als sie geistesabwesend
in ihrem Kaffee rührte, bevor sie die Tasse zum Mund führte. „Igitt! Schon wieder kalter Kaffee.“ entfuhr
es ihr. Ein Kichern erinnerte sie daran, dass sie nicht alleine war. Entschlossen
stellte sie die Kaffeetasse beiseite und schaue sich den Winzling noch einmal
ganz aus der Nähe an. Wieder schüttelte sie den Kopf, als ob sie einen Tagtraum
verscheuchen müssen und stellte dann eine Menge wichtiger Fragen. „Wie denkt
ihr euch das mit der Blockhütte? Braucht ihr Hilfe? Muss ich euch täglich
versorgen mit allem was man so benötigt zum Leben und wer sorgt dafür, dass ihr
mir nicht unter meine Schuhsohle geratet, wenn ich im Haus umherlaufe? Dann ist
da noch der Hund. Er könnte euch mit einem Haps verschlucken!“ Es dauerte einen
Augenblick, bis ihr kleiner neuer Freund antwortete. „Oh, da sehe ich keinerlei
Probleme. bisher ist die alte Dame in der Blockhütte ja auch ohne dich ausgekommen.
Naja, fast.“ Er grinste und
erklärte dann, dass diese Winzlinge alle nachtaktiv seien und niemals ihr Haus
verlassen, wenn Menschen unterwegs seien. „Wir sind ja nicht lebensmüde!
Versorgen können wir uns prima selber, solange du nicht abends nach dem
Abendbrot gleich alle Teller abspülst und die Kessel mit den Resten zu dicht
verschließt.“ „Aha, ihr seid also mit
Borgern verwandt?“ Heftig nickend krabbelte der kleine Kerl von ihrer
Handfläche herunter und sauste zum Teller mit den Keksen vom gestrigen
Adventskaffee. Er schnappte sich einen Kekskrümel und zeigte ihr, wie groß ein
solcher Krümel doch für ihn sei. Oma musste einsehen, dass Kekskrümel für ihn
die Größe eines Brötchens besaßen und somit ein ganzes Frühstück ergaben. Sie nickte zum
Zeichen, dass sie verstanden hatte und war nun endgültig überredet, das
Blockhaus freizugeben für die Racker. Gerade, als sie das auch laut sagen
wollte, erschien Ole wie aus dem Nichts in der Küche. „Guten Morgen Oma. Ich
sehe, du hast unseren neuen Mitbewohner schon kennengelernt. Das ist gut, da
muss ich ja nix mehr erklären.“ Oma war
sprachlos. Da kam dieser unmögliche Nisser einfach in ihre Küche geschlendert,
als habe er nichts ausgefressen. Dabei hatte er vor Kurzem noch hoch und heilig
versprochen, es werde keine weiteren Besucher ohne vorherige Absprache mehr geben.
Sie seufzte, sah ihn tadelnd an und kochte sich wortlos einen neuen Kaffee. Ole
hatte den Winzling auf den Arm genommen und war mit ihm um die Ecke
verschwunden, noch ehe Oma ihn zur Rede stellen konnte.
„Na warte, Bürschchen, so kommst du mir nicht davon!“ murmelte sie und schlich leise hinter den beiden her. Natürlich war Ole zur Blockhütte geflitzt, um den übrigens Winzlingen zu berichten, dass alles in Ordnung sei. Oma kam gerade noch rechtzeitig dazu, um zu sehen, wie Ole kurzerhand das Haus anhob, um in die Stube blicken zu können.
Drinnen waren alle versammelt und warteten
gespannt auf Oles Bericht.
„Soll er doch zusehen, wie er das Haus wieder ordentlich hinstellt. Die Suppe hat er sich
selber eingebrockt. Ich trinke jetzt meinen Kaffee, bevor er wieder kalt ist.“
Oma hatte schon wieder mit sich selbst geredet und dadurch waren alle auf sie
aufmerksam geworden. ein Vielstimmiges: „Dankeschön, das wir bleiben dürfen!“
tönte ihr nach, als sie schon halb wieder in der Küche war. Sie würde wohl den
Rest des Tages damit zubringen müssen, darüber nachzudenken, wie sie das nun
wieder dem Opa erklären sollte. Für heute jedenfalls hatte sie genug Aufregung
gehabt und beschloss, nachher einfach die Enkel zu besuchen. Sollten die Nisser
doch tun und lassen, was sie wollten. Und die Geschenke vom Weihnachtsmarkt in
Ahrweiler würde sie Ole heute zur Strafe auch nicht geben.
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