18.
Dezember
Omas
Einkauf in der Metzgerei hatte sich als gar nicht so schwierig erwiesen, wie
sie befürchtet hatte. Es herrschte ein solcher Andrang dort, dass es in dem Trubel
niemandem auffiel, wie sie immer wieder in ihre Handtasche schaute, um zu sehen,
ob die Nisser zufrieden mit dem ausgewählten Fleisch wären. Die hatten sich
einen prima Platz im Seitenfach gesucht und konnten durch den geöffneten
Reißverschluss alles sehen, was die Verkäuferin Oma anbot. Der Julskinke war
also gekauft und noch ein paar weitere Leckereien wie Rauchwürste und als Krönung
eine riesige Fleischwurst, wie Lisbeth sie noch nie gesehen hatte. Sie kannte
aus den Ferienhäusern in Dänemark nur Wurst aus dem Supermarkt in
Plastikpackungen und staunte mit offenem Mund. Fast hätte sie laut ihren Jubel
kundgetan, aber Nissermor hielt ihr im letzten Moment den Mund zu. Beim
anschließenden Besuch im Supermarkt hatten sie Oma noch geholfen, ein paar
spezielle Sachen fürs Julefrokost zu kaufen. Manches war nicht so leicht zu
finden und Oma flitzte mit ihrem Einkaufswagen hierhin und dorthin, fragte Verkäufer
und hatte schlussendlich fast alles bekommen, was die Damen ihr auf die Liste
geschrieben hatten. Es wurde verabredet, dass am Weihnachtstag im Puppenhaus
die Küche kalt bleiben dürfe und alle beim Familienessen anwesend sein sollten.
Die Enkel hätten es auch nicht gut gefunden, wenn der Puppentisch am Weihnachtstag
nicht auf der Familientafel stehen durfte. Lisbeth und Nissermor hatten sich
zugezwinkert und waren sich einig, dass es für ihre Hausleute eine Überraschung
geben werde aus der Nisserküche. Zu Hause angekommen, hatte Oma die Einkäufe in
die Vorratskammer gebracht, den Nissern noch eine dicke scheibe Fleischwurst
geschenkt und war dann den Rest des Tages mit anderen Arbeiten beschäftigt. Sie
ging früh zu Bett und freute sich auf den Besuch ihrer Enkel am nächsten
Morgen. Die Kinder kamen zu Besuch, weil ihre Mutter Oma noch bei einigen Vorbereitungen
fürs Weihnachtsfest behilflich sein wollte. Kaum angekommen, stürmten sie zum
Puppenhaus, riefen nach Ole und bekamen Antwort aus dem Keller. „Psssst! Ich
bin im Keller, aber nicht der Oma sagen!“ Die beiden Enkel traten näher heran
und betrachteten das Bild, das sich ihnen bot.
„Was macht ihr da? Bastelt ihr
Weihnachtsgeschenke?“ fragte der kleinere der Beiden und Ole nickte nur. „ Für
Oma! Sie liebt doch kleine Sachen und da haben wir gedacht, wir bauen ihr
Puppenhäuser für ihre Puppenhäuser.“ „Da
habt ihr aber eine tolle Idee gehabt. Sie wird sich ganz sicher sehr freuen.
Können wir helfen?“ Der Ältere der Enkel war immer an allem Handwerklichen
interessiert und wollte schon die winzige Säge nehmen, die Mads gerade in der
Hand hielt. „Lieber nicht!“ rief Leo aus der hintersten Ecke des Kellers. „Die
Werkzeuge sind für euch zu klein und würden sicher zu Bruch gehen, wenn ihr sie
benutzt. Aber wenn ihr es schaffen könntet, Oma zu überreden, dass ihr ihre
Farben zum Malen haben dürft, dann wäre uns sehr geholfen.“
Die beiden schauten
sich an, lachten verschmitzt und riefen wie aus einem Mund „Na klar doch.
Machen wir. Oma sagt fast nie nein, wenn wir sie um etwas bitten.“ Eigentlich wollte
Oma ihre Malfarben lieber nicht herausgeben, aber die beiden Racker flunkerten
ihr vor, sie wollten etwas für ihre Mama basteln, während die mit Oma arbeite
und so bekamen die Nisser Omas Farben doch noch. Natürlich benutzten die Enkel
auch ein wenig davon, um schöne Bilder für die Eltern zu malen und so blieben
die Vorgänge im Keller des Puppenhauses vor Oma verborgen. Leo bat die Kinder
darum, ihm doch draußen ein wenig Holz zu besorgen, er wolle noch neue
Nisserschuhe schnitzen für Mads, Lisbeth und Anders. So langsam musste man ja
mal mit den Weihnachtsgeschenken fertig werden, meinte er.
Oben im Haus
herrschte verdächtige Stille und man durfte annehmen, dass die Nisserfrauen
sich in die Vitrinenwohnung von Nissermormor und Nissermorfar zurückgezogen hatten.
Vermutlich aus den gleichen Gründen, die die Männer in den Keller getrieben
hatte. mittags fuhren die Enkel wieder heim und Oma begann mit dem Hausputz. Opa
kam an seinem letzten Arbeitstag vor seinem wohlverdienten Urlaub früher nach
Hause als sonst. Abends sollte in seiner Firma eine Weihnachtsfeier stattfinden,
drum hatte er eine kurze Tour gehabt und dann zufrieden seinen LKW eingeparkt
und war nach Hause gefahren. Kaum war er im Haus, da rief ihn auch schon Ole
ans Puppenhaus. „Opa, komm schnell her, wir brauchen deine Hilfe.“ Er stand mit
Nissermorfar auf der Veranda und hielt eine kleine Kirche fest, die irgendwie viel
zu schwer für ihn aussah.
„Opa, schnell, ich kann sie nicht mehr halten! Hilf
mir doch!“beherzt griff Opa zu und rettete so die kleine Kirche vor einem
Absturz und somit vor der Zerstörung. Er bewunderte das kleine Kunstwerk
gebührend. „Für meine Frau?“ „Ja, und
noch einige andere. Aber wir müssen sie verstecken. Sie darf sie doch nicht
sehen vor Weihnachten. Weißt du ein gutes Versteck und kannst uns helfen, sie
dort zu verstecken?“ Ole hatte ihn bittend angeschaut und so konnte er nicht anders,
als die Minipuppenstuben in seine Arbeitstasche zu stecken. Die würde er bis
zum neuen Jahr nicht mehr benutzen und somit blieb sie unbeachtet auf ihrem
Platz stehen. Er konnte sich nicht vorstellen, dass seine Frau dort nachschauen
würde. Die Nisser waren sehr zufrieden mit dieser Lösung und entließen Opa in
die Küche, wo er erst einmal einen Kaffee trank und in die Zeitung schaute. Dann
rief er nach Oma. Die kam auch gleich aus dem Bad geflitzt, wo sie gerade den
Spiegel geputzt hatte. „Bist du schon lange zu Hause?“ fragte sie und wunderte
sich, dass er nicht wie sonst ein fröhliches Hallo durchs Haus gerufen hatte,
als er gekommen war. „Ja, bin schon länger hier, aber ich hatte etwas zu
erledigen. Hab glatt vergessen, dir Bescheid zu geben.“ Opa flunkerte, ohne mit der Wimper zu zucken,
dieser Schelm. Er bat Oma, das Bad später fertig zu putzen, weil er sich für
die Weihnachtsfeier fertig machen wolle und verschwand unter der Dusche. Später
brachte Oma ihn dann zur Weihnachtsfeier und beschloss, dass sie für heute
Feierabend haben wolle. Morgen ist ja auch noch ein Tag, murmelte sie und griff
zu einem Buch, das sie schon lange hatte lesen wollen.
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