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Freitag, 18. Dezember 2015

18. Dezember

Omas Einkauf in der Metzgerei hatte sich als gar nicht so schwierig erwiesen, wie sie befürchtet hatte. Es herrschte ein solcher Andrang dort, dass es in dem Trubel niemandem auffiel, wie sie immer wieder in ihre Handtasche schaute, um zu sehen, ob die Nisser zufrieden mit dem ausgewählten Fleisch wären. Die hatten sich einen prima Platz im Seitenfach gesucht und konnten durch den geöffneten Reißverschluss alles sehen, was die Verkäuferin Oma anbot. Der Julskinke war also gekauft und noch ein paar weitere Leckereien wie Rauchwürste und als Krönung eine riesige Fleischwurst, wie Lisbeth sie noch nie gesehen hatte. Sie kannte aus den Ferienhäusern in Dänemark nur Wurst aus dem Supermarkt in Plastikpackungen und staunte mit offenem Mund. Fast hätte sie laut ihren Jubel kundgetan, aber Nissermor hielt ihr im letzten Moment den Mund zu. Beim anschließenden Besuch im Supermarkt hatten sie Oma noch geholfen, ein paar spezielle Sachen fürs Julefrokost zu kaufen. Manches war nicht so leicht zu finden und Oma flitzte mit ihrem Einkaufswagen hierhin und dorthin, fragte Verkäufer und hatte schlussendlich fast alles bekommen, was die Damen ihr auf die Liste geschrieben hatten. Es wurde verabredet, dass am Weihnachtstag im Puppenhaus die Küche kalt bleiben dürfe und alle beim Familienessen anwesend sein sollten. Die Enkel hätten es auch nicht gut gefunden, wenn der Puppentisch am Weihnachtstag nicht auf der Familientafel stehen durfte. Lisbeth und Nissermor hatten sich zugezwinkert und waren sich einig, dass es für ihre Hausleute eine Überraschung geben werde aus der Nisserküche. Zu Hause angekommen, hatte Oma die Einkäufe in die Vorratskammer gebracht, den Nissern noch eine dicke scheibe Fleischwurst geschenkt und war dann den Rest des Tages mit anderen Arbeiten beschäftigt. Sie ging früh zu Bett und freute sich auf den Besuch ihrer Enkel am nächsten Morgen. Die Kinder kamen zu Besuch, weil ihre Mutter Oma noch bei einigen Vorbereitungen fürs Weihnachtsfest behilflich sein wollte. Kaum angekommen, stürmten sie zum Puppenhaus, riefen nach Ole und bekamen Antwort aus dem Keller. „Psssst! Ich bin im Keller, aber nicht der Oma sagen!“ Die beiden Enkel traten näher heran und betrachteten das Bild, das sich ihnen bot. 

„Was macht ihr da? Bastelt ihr Weihnachtsgeschenke?“ fragte der kleinere der Beiden und Ole nickte nur. „ Für Oma! Sie liebt doch kleine Sachen und da haben wir gedacht, wir bauen ihr Puppenhäuser für ihre Puppenhäuser.“  „Da habt ihr aber eine tolle Idee gehabt. Sie wird sich ganz sicher sehr freuen. Können wir helfen?“ Der Ältere der Enkel war immer an allem Handwerklichen interessiert und wollte schon die winzige Säge nehmen, die Mads gerade in der Hand hielt. „Lieber nicht!“ rief Leo aus der hintersten Ecke des Kellers. „Die Werkzeuge sind für euch zu klein und würden sicher zu Bruch gehen, wenn ihr sie benutzt. Aber wenn ihr es schaffen könntet, Oma zu überreden, dass ihr ihre Farben zum Malen haben dürft, dann wäre uns sehr geholfen.“ 

Die beiden schauten sich an, lachten verschmitzt und riefen wie aus einem Mund „Na klar doch. Machen wir. Oma sagt fast nie nein, wenn wir sie um etwas bitten.“ Eigentlich wollte Oma ihre Malfarben lieber nicht herausgeben, aber die beiden Racker flunkerten ihr vor, sie wollten etwas für ihre Mama basteln, während die mit Oma arbeite und so bekamen die Nisser Omas Farben doch noch. Natürlich benutzten die Enkel auch ein wenig davon, um schöne Bilder für die Eltern zu malen und so blieben die Vorgänge im Keller des Puppenhauses vor Oma verborgen. Leo bat die Kinder darum, ihm doch draußen ein wenig Holz zu besorgen, er wolle noch neue Nisserschuhe schnitzen für Mads, Lisbeth und Anders. So langsam musste man ja mal mit den Weihnachtsgeschenken fertig werden, meinte er.

 Oben im Haus herrschte verdächtige Stille und man durfte annehmen, dass die Nisserfrauen sich in die Vitrinenwohnung von Nissermormor und Nissermorfar zurückgezogen hatten. Vermutlich aus den gleichen Gründen, die die Männer in den Keller getrieben hatte. mittags fuhren die Enkel wieder heim und Oma begann mit dem Hausputz. Opa kam an seinem letzten Arbeitstag vor seinem wohlverdienten Urlaub früher nach Hause als sonst. Abends sollte in seiner Firma eine Weihnachtsfeier stattfinden, drum hatte er eine kurze Tour gehabt und dann zufrieden seinen LKW eingeparkt und war nach Hause gefahren. Kaum war er im Haus, da rief ihn auch schon Ole ans Puppenhaus. „Opa, komm schnell her, wir brauchen deine Hilfe.“ Er stand mit Nissermorfar auf der Veranda und hielt eine kleine Kirche fest, die irgendwie viel zu schwer für ihn aussah.

 „Opa, schnell, ich kann sie nicht mehr halten! Hilf mir doch!“beherzt griff Opa zu und rettete so die kleine Kirche vor einem Absturz und somit vor der Zerstörung. Er bewunderte das kleine Kunstwerk gebührend. „Für meine Frau?“  „Ja, und noch einige andere. Aber wir müssen sie verstecken. Sie darf sie doch nicht sehen vor Weihnachten. Weißt du ein gutes Versteck und kannst uns helfen, sie dort zu verstecken?“ Ole hatte ihn bittend angeschaut und so konnte er nicht anders, als die Minipuppenstuben in seine Arbeitstasche zu stecken. Die würde er bis zum neuen Jahr nicht mehr benutzen und somit blieb sie unbeachtet auf ihrem Platz stehen. Er konnte sich nicht vorstellen, dass seine Frau dort nachschauen würde. Die Nisser waren sehr zufrieden mit dieser Lösung und entließen Opa in die Küche, wo er erst einmal einen Kaffee trank und in die Zeitung schaute. Dann rief er nach Oma. Die kam auch gleich aus dem Bad geflitzt, wo sie gerade den Spiegel geputzt hatte. „Bist du schon lange zu Hause?“ fragte sie und wunderte sich, dass er nicht wie sonst ein fröhliches Hallo durchs Haus gerufen hatte, als er gekommen war. „Ja, bin schon länger hier, aber ich hatte etwas zu erledigen. Hab glatt vergessen, dir Bescheid zu geben.“  Opa flunkerte, ohne mit der Wimper zu zucken, dieser Schelm. Er bat Oma, das Bad später fertig zu putzen, weil er sich für die Weihnachtsfeier fertig machen wolle und verschwand unter der Dusche. Später brachte Oma ihn dann zur Weihnachtsfeier und beschloss, dass sie für heute Feierabend haben wolle. Morgen ist ja auch noch ein Tag, murmelte sie und griff zu einem Buch, das sie schon lange hatte lesen wollen.



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