16.
Dezember
Heute
Morgen ganz früh hatte Oma es endlich geschafft, einen Blick in den Keller unter
Oles Haus zu werfen. Sie hatte sich gestern
schon gewundert, warum sie außer Anders keinen der männlichen Nisser zu sehen bekam. Ein einziger Blick genügte und sie wusste Bescheid.
Die Herrschaften saßen um einen Tisch herum und nahmen fleißig Kostproben von
dem, was sie da letzte Woche in dem Einkochkessel fabriziert hatten. Bente
Nissermorfar hielt ein ganzes Fass im Arm,
Ole, Leo und Mads saßen um den Tisch
herum, auf dem ein weiteres Fass stand und auf dem Herd kochte schon wieder
dieses stinkende Zeugs.
„Guten Morgen
meine Herren. Darf ich mal fragen, was genau ihr da verkostet?“ Oma war ein
wenig ärgerlich und konnte sich nicht beherrschen. Schuldbewusst schaute Ole
sie an und antwortete kleinlaut: „ Ach Oma, wir haben Weihnachtsbier gebraut
und bevor wir allen davon was servieren, müssen wir doch probieren.“ „So so,
probiert habt ihr also? Einen ganzen Tag lang? Schmeckt es denn wenigstens
besser als es riecht?“ lachte Oma und Bente Nissermorfar schaute sie mit leicht
glasigen Augen an. „Leider schmeckt es ein wenig zu gut. Wir haben zu viel
probiert und nun müssen wir dringend neues Bier brauen. Du entschuldigst uns bis heute Abend, ja?“ Das er dabei ein wenig lispelte und eine unsaubere
Aussprache hatte, fiel wohl nur Oma auf. Kopfschüttelnd ließ sie die Nisser in
Oles Keller zurück und kochte sich ihren Kaffee wie jeden Morgen. Allmählich
trudelten nacheinander Emilia, Lisbeth und Magrete Nissermormor in ihrer Küche
ein. Oma bot ihnen einen Kaffee und
Kekse an. Lisbeth lehnte dankend ab. Sie hatte schon gefrühstückt und wollte
eigentlich etwas ganz anderes von ihr. „Entschuldige, ich will nicht unhöflich sein,
aber mir ist heute Nacht eingefallen, dass wir etwas ganz wichtiges zu Hause
vergessen haben und nun muss ich versuchen, schnell noch Ersatz zu basteln,
sonst kann ich Weihnachten nicht richtig feiern. Hast du vielleicht ein wenig
rote Farbe für mich?“ „Natürlich habe
ich rote Farbe für dich, liebe Lisbeth. Brauchst du sonst noch etwas? Und was
ist mit euch beiden da? Kann ich euch mit Irgendetwas aushelfen?“ Sie war schon
aufgesprungen und die halbe Treppe hinauf gelaufen, als sie die zweite Frage
stellte. Emilia schüttelte den Kopf und Nissermormor rief ihr hinterher: „Rotes
Garn bräuchte ich, nur ein kleines Knäuel bitte.“ Keine fünf Minuten später befand
sich das Gewünschte schon im Besitz der Nisserdamen und die konnten loslegen,
mit was auch immer. Oma musste heute noch einmal wegen letzter
Weihnachtsgeschenke in die Stadt und überließ das kleine Volk die nächsten
Stunden sich selbst. Als sie am Nachmittag endlich vollgepackt zu Hause ankam,
ging ihr erster Blick natürlich zum Puppenhaus. Anders saß auf seinem
Schaukelpferd und ritt durch die Prärie, wie er das Esszimmer nannte,
Emilia war
verschwunden und Lisbeth hatte in der Küche den Tisch mit Zeitungspapier belegt
und pinselte fleißig an etwas herum, dass sie ohne Brille nicht erkennen
konnte. Auf dem Balkon saß Nissermormor und hielt eine wunderschöne, sternförmige
Tischdecke in der Hand, die sie wohl heute gehäkelt hatte.
Oma bewunderte sie
gebührend, hängte ihre Jacke an den Haken und ließ sich auf einen Stuhl in der
Küche plumpsen. Ihr schmerzten die Füße und sie fühlte sich um Jahre gealtert
nach all dem Trubel in der Stadt. Seufzend stand sie wieder auf und ging zur
Kaffeemaschine. Eine gute Tasse frischer Kaffee war jetzt genau das Richtige.
Sie nippte daran und seufzte. „Nie wieder gehe ich so kurz vor Weihnachten in
die Stadt. Das ist ja nicht auszuhalten, wie die Leute dort drängeln und in
Eile sind.“ murmelte sie und rührte in ihrer Tasse. Als sie aufschaute, stand Emilia
vor ihr auf dem Tisch. „Oma, ich muss dich was fragen. Ich muss noch mal den Backofen
anheizen. Darf ich das jetzt tun? Nun, wo du wieder da bist, kann ja nichts
passieren. Ich habe extra auf dich gewartet.“ Oma nickte und fragte: „Was backst du denn Leckeres, liebe Emilia?“ „Knäckebrot!
Lisbeth hat mir ihr Rezept gegeben und das wollte ich unbedingt für die
Verwandten im Dorf backen und zu Weihnachten als besondere Spezialität aus Schweden
verschenken.“
Oma half ihr sogar noch, den Backofen anzuzünden, weil die
Herren ja mit Bierbrauen beschäftigt waren und schaute dann noch einmal in die Küche des
Puppenhauses. Nun trug sie ihre Brille und konnte die roten Gebilde auf dem
Küchentisch besser erkennen. Trotzdem wusste sie nicht, was genau Lisbeth da
bastelte.
„Liebe Lisbeth, was ist es denn nun, dass du so dringend herstellen musstest?
Ich sehe etwas Rotes, Kugeliges und kann mir gerade keinen Reim darauf machen,
was es darstellt.“ Lisbeth lachte. „ Das
sind unsere traditionellen Julelys, Kerzenständer könnte man auch sagen. Die
gehören unbedingt zum Advent und zu Weihnachten dazu, sonst stimmt was nicht.
Wenn sie getrocknet sind, kommt eine weiße Kerze darauf und erleuchtet den Raum
so hyggelig, wie wir bei uns sagen.“ „ Hyggelig hab ich schon oft gehört. Heißt
wohl gemütlich und heimelig, wenn ich das recht verstanden habe?“ „Ja genau! Du kannst ja ein wenig Dänisch, muss
ich gerade feststellen.“ Lisbeth dachte bei sich, dass sie wohl besser
aufpassen müsse, wer gerade zuhören könne, wenn sie sich mit ihrem Mann oder den
anderen Nissern unterhalte. Alles musste
die Oma ja nun auch wieder nicht wissen. Die jedoch grinste und begann damit,
das Abendbrot für Opa und die Tochter zu kochen. Die beiden würden sicherlich
gleich kommen und Hunger haben.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen