Translate

Mittwoch, 16. Dezember 2015

16. Dezember


Heute Morgen ganz früh hatte Oma es endlich geschafft, einen Blick in den Keller unter Oles Haus zu werfen.  Sie hatte sich gestern schon gewundert, warum sie außer Anders keinen der männlichen Nisser  zu sehen bekam.  Ein einziger Blick genügte und sie wusste Bescheid.

Die Herrschaften saßen um einen Tisch herum und nahmen fleißig Kostproben von dem, was sie da letzte Woche in dem Einkochkessel fabriziert hatten. Bente Nissermorfar hielt ein ganzes Fass im Arm, 

Ole, Leo und Mads saßen um den Tisch herum, auf dem ein weiteres Fass stand und auf dem Herd kochte schon wieder dieses stinkende Zeugs. 


 „Guten Morgen meine Herren. Darf ich mal fragen, was genau ihr da verkostet?“ Oma war ein wenig ärgerlich und konnte sich nicht beherrschen. Schuldbewusst schaute Ole sie an und antwortete kleinlaut: „ Ach Oma, wir haben Weihnachtsbier gebraut und bevor wir allen davon was servieren, müssen wir doch probieren.“ „So so, probiert habt ihr also? Einen ganzen Tag lang? Schmeckt es denn wenigstens besser als es riecht?“ lachte Oma und Bente Nissermorfar schaute sie mit leicht glasigen Augen an. „Leider schmeckt es ein wenig zu gut. Wir haben zu viel probiert und nun müssen wir dringend neues Bier brauen. Du entschuldigst uns bis heute Abend, ja?“ Das er dabei ein wenig lispelte und eine unsaubere Aussprache hatte, fiel wohl nur Oma auf. Kopfschüttelnd ließ sie die Nisser in Oles Keller zurück und kochte sich ihren Kaffee wie jeden Morgen. Allmählich trudelten nacheinander Emilia, Lisbeth und Magrete Nissermormor in ihrer Küche ein.  Oma bot ihnen einen Kaffee und Kekse an. Lisbeth lehnte dankend ab. Sie hatte schon gefrühstückt und wollte eigentlich etwas ganz anderes von ihr. „Entschuldige, ich will nicht unhöflich sein, aber mir ist heute Nacht eingefallen, dass wir etwas ganz wichtiges zu Hause vergessen haben und nun muss ich versuchen, schnell noch Ersatz zu basteln, sonst kann ich Weihnachten nicht richtig feiern. Hast du vielleicht ein wenig rote Farbe für mich?“  „Natürlich habe ich rote Farbe für dich, liebe Lisbeth. Brauchst du sonst noch etwas? Und was ist mit euch beiden da? Kann ich euch mit Irgendetwas aushelfen?“ Sie war schon aufgesprungen und die halbe Treppe hinauf gelaufen, als sie die zweite Frage stellte. Emilia schüttelte den Kopf und Nissermormor rief ihr hinterher: „Rotes Garn bräuchte ich, nur ein kleines Knäuel bitte.“ Keine fünf Minuten später befand sich das Gewünschte schon im Besitz der Nisserdamen und die konnten loslegen, mit was auch immer. Oma musste heute noch einmal wegen letzter Weihnachtsgeschenke in die Stadt und überließ das kleine Volk die nächsten Stunden sich selbst. Als sie am Nachmittag endlich vollgepackt zu Hause ankam, ging ihr erster Blick natürlich zum Puppenhaus. Anders saß auf seinem Schaukelpferd und ritt durch die Prärie, wie er das Esszimmer nannte,


 Emilia war verschwunden und Lisbeth hatte in der Küche den Tisch mit Zeitungspapier belegt und pinselte fleißig an etwas herum, dass sie ohne Brille nicht erkennen konnte. Auf dem Balkon saß Nissermormor und hielt eine wunderschöne, sternförmige Tischdecke in der Hand, die sie wohl heute gehäkelt hatte. 

Oma bewunderte sie gebührend, hängte ihre Jacke an den Haken und ließ sich auf einen Stuhl in der Küche plumpsen. Ihr schmerzten die Füße und sie fühlte sich um Jahre gealtert nach all dem Trubel in der Stadt. Seufzend stand sie wieder auf und ging zur Kaffeemaschine. Eine gute Tasse frischer Kaffee war jetzt genau das Richtige. Sie nippte daran und seufzte. „Nie wieder gehe ich so kurz vor Weihnachten in die Stadt. Das ist ja nicht auszuhalten, wie die Leute dort drängeln und in Eile sind.“ murmelte sie und rührte in ihrer Tasse. Als sie aufschaute, stand Emilia vor ihr auf dem Tisch. „Oma, ich muss dich was fragen. Ich muss noch mal den Backofen anheizen. Darf ich das jetzt tun? Nun, wo du wieder da bist, kann ja nichts passieren. Ich habe extra auf dich gewartet.“ Oma nickte und fragte:  „Was backst du denn Leckeres, liebe Emilia?“ „Knäckebrot! Lisbeth hat mir ihr Rezept gegeben und das wollte ich unbedingt für die Verwandten im Dorf backen und zu Weihnachten als besondere Spezialität aus Schweden verschenken.“ 

Oma half ihr sogar noch, den Backofen anzuzünden, weil die Herren ja mit Bierbrauen beschäftigt waren  und schaute dann noch einmal in die Küche des Puppenhauses. Nun trug sie ihre Brille und konnte die roten Gebilde auf dem Küchentisch besser erkennen. Trotzdem wusste sie nicht, was genau Lisbeth da bastelte. 

„Liebe Lisbeth, was ist es denn nun, dass du so dringend herstellen musstest? Ich sehe etwas Rotes, Kugeliges und kann mir gerade keinen Reim darauf machen, was es darstellt.“  Lisbeth lachte. „ Das sind unsere traditionellen Julelys, Kerzenständer könnte man auch sagen. Die gehören unbedingt zum Advent und zu Weihnachten dazu, sonst stimmt was nicht. Wenn sie getrocknet sind, kommt eine weiße Kerze darauf und erleuchtet den Raum so hyggelig, wie wir bei uns sagen.“ „ Hyggelig hab ich schon oft gehört. Heißt wohl gemütlich und heimelig, wenn ich das recht verstanden habe?“  „Ja genau! Du kannst ja ein wenig Dänisch, muss ich gerade feststellen.“ Lisbeth dachte bei sich, dass sie wohl besser aufpassen müsse, wer gerade zuhören könne, wenn sie sich mit ihrem Mann oder den anderen Nissern unterhalte.  Alles musste die Oma ja nun auch wieder nicht wissen. Die jedoch grinste und begann damit, das Abendbrot für Opa und die Tochter zu kochen. Die beiden würden sicherlich gleich kommen und Hunger haben.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen