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Donnerstag, 17. Dezember 2015

17. Dezember


Der Tag hatte begonnen wie immer, nun ja fast wie immer. Oma wollte die Zeitung aus dem Kasten holen und bei einer Tasse Kaffee das Neueste aus dem Städtchen erfahren. Sie zog also die Zeitung aus dem Kasten heraus und wunderte sich gleich darauf, dass die heute ungewöhnlich schwer war. Irgendetwas war in die Zeitung eingewickelt.

 Vorsichtig trug sie ihren Fund zum Küchentisch und wickelte die zusammengerollte Zeitung auf. Ein Päckchen kam zum Vorschein. Buntes Packpapier mit der Aufschrift: Für die Nisser! umhüllte etwas Unförmiges. Vorsichtig stellte sie das Päckchen mitten auf dem Tisch ab. Die Nisser bekamen Geschenke ohne Absender! Sollte es sich herumgesprochen haben, dass sie Nisser im Haus hatte? Ein wenig unangenehm war ihr dieser Gedanke nun doch. Sie genoss es zwar sehr, die kleinen Wesen im Haus zu haben, aber sie befürchtete schon, dass man sie ein wenig belächeln würde deswegen. Oder war der Absender des Geschenks einfach nur neugierig, weil draußen am Haus die Nissertüre ihm verraten hatte, dass eventuell welche im Haus sein könnten?

 Sie saß immer noch grübelnd am Küchentisch, als Ole wie aus dem Nichts auf dem Küchentisch stand, sie frech angrinste und dann bedeutungsvoll auf ihre Kaffeetasse sah. „Der ist garantiert wieder mal kalt, Oma! Ich steh jetzt schon eine ganze Weile hier und du hast immer weiter in der Tasse gerührt, ohne zu trinken. Warum nur machst du das immer wieder?“ Oma probierte den Kaffee, verzog das Gesicht sagte: „Ja, kalt und eklig! Warum ich das mache? Ich muss nachdenken. Ihr habt ein Geschenk ohne Absender bekommen. Das kommt mir spanisch vor, wie man so sagt.“ Oles erstauntes: „Ein Geschenk? Für uns Nisser? Das ist ja toll! Bin gleich wieder da, hole schnell die anderen alle.“  war nur halb zu verstehen, weil er schon  im Flur angekommen war bei dem Wort   „alle“. Es dauerte eine ganze Weile, bis er seine Freunde geweckt hatte und gemeinsam mit ihnen in der Küche erschien. Neugierig umringten sie das Päckchen. 

Schließlich fasste sich Bente Nissermorfar ein Herz und begann vorsichtig, das Papier zu öffnen. Etwas Rotes schaute hervor. Er roch daran und stellte trocken fest: „ Schokolade!“ Da drängelten sich die jüngeren Nisser einschließlich Ole näher heran und riefen wie aus einem Mund:“ Julklapp! Julklapp! Das ist ein Julklapp!“ Oma schaute von einem zum anderen. Von so etwas hatte sie ja noch nie gehört. „ Was ist denn ein Julklapp?“ Alle redeten durcheinander und schließlich musste Oma lautstark um Ruhe bitten. Sie hatte kein einziges Wort verstanden und war genau so klug wie vorher. Sie schaute alle nacheinander an und entschied dann, dass Magrete Nissermormor wohl am geeignetsten sei, ihr das Wort zu erklären. „Lasst doch bitte  mal Magrete reden. Sie wird es mir schon erklären können.“ Magrete nickte und begann: „Der Julklapp ist eine nordische Tradition im Advent. Es werden Geschenke in den Raum geworfen oder hinterlassen und niemand erfährt, von wem das Geschenk kommt. Du kannst also gut und gerne noch fünf Tassen Kaffee kaltrühren und wirst immer noch nicht wissen, wo die Schokolade herkommt. Übrigens würde ich gerne sehen, welche Form die Schokolade hat. Vielleicht kann man daraus Rückschlüsse ziehen auf die Herkunft. Aber ich sags euch gleich: In 99 Prozent der Fälle kriegt man nicht raus, wo der Julklapp herkommt. Freut euch drüber und lasst ihn euch einfach schmecken.“ Bente pflichtete seiner Frau bei und entfernte nun das Papier ganz von dem Geschenk. Da stand nun ein rotes Pferdchen auf dem Tisch, das verführerisch nach Schokolade roch. 

„Ein Dalarna Pferd!“ jubelte Anders und streichelte liebevoll über das Pferdchen. Oma betrachtete das Tierchen nun ein wenig genauer und fragte dann: „Ist das also so eines, wie du in Holz schon besitzt? Dieses winzige Teil, wo man eine Lupe bracht, um zu sehen, wie schön es ist?“ „Ja Oma! Genau so eins ist das. Die kommen aus Schweden. Dort kennt sie jedes Kind und mein Hölzernes ist noch vom Urgroßvater. Es begleitet unsere Familie überall hin.“  

„Papperlerpapp! Das da ist aus Schokolade“, rief Ole und wollte schon die rote Umhüllung öffnen, als Anders bitterlich anfing zu weinen.“  „Nicht! Bitten nicht aufessen! Es ist so schön. Können wir es nicht bis zum Weihnachtsabend aufheben? Ich möchte es noch ein paar Tage lang betrachten, bevor es aufgefuttert wird!“ 

Lisbeth nahm ihren Sohn tröstend in den Arm und sah  die übrigen Nisser fragend an. Alle nickten mit ihren Köpfen und so musste auch Ole auf sein ungesundes Frühstück verzichten.  Oma trug das Schokoladenpferdchen zum Puppenhaus und stellte es dort hin, wo es hingehörte: In den Stall. Das Wort „Gemeinheit“ aus Oles Mund überhörte sie dabei großzügig und ging in die Küche, um sich einen neuen Kaffee zu kochen. Nachher sollten ihre Enkel kommen und da würde sie sicher keine Zeit mehr haben für die Lektüre ihrer Zeitung. Sie begann also damit, den Lokalteil zu lesen und staunte nicht schlecht, als sie dort einen Artikel über Wichtel, Nisser Tomte und Gnome fand. Es wurde erklärt, das überall auf der Welt die Kinder an diese Wesen glauben, die dem Christkind, dem Weihnachtsmann oder Julmand oder Santa Claus, wie auch immer der Gabenbringer genannt wird, bei der Herstellung und Verteilung  der Geschenke helfen. Der Artikel war sehr lang und lehrreich, besonders für eine Oma wie sie, die Nisser beherbergte. So erfuhr sie auch, dass man in Skandinavien den Nissern und Tomten am Weihnachtsabend eine Schüssel Reisbrei vors Haus stellt zum Dank dafür, dass sie das ganze Jahr heimlich für Ordnung gesorgt haben. „ Oweh! Reisbrei? Ob man dafür ein besonderes Rezept braucht? Ich glaube, ich muss mal rasch nach Ringkøbing telefonieren. Meine Freundin dort kann mir da sicher helfen.“ Und schon hatte sie die Zeitung zusammengefaltet und griff nach dem Telefon. Selbstverständlich konnte die Freundin helfen. Sie wunderte sich überhaupt nicht darüber, dass Oma danach gefragt hatte. Es schien dort absolut normal zu sein, diese Tradition hoch zu halten. Oma musste also noch einmal in die Stadt und einkaufen. Dabei konnte sie auch gleich das Fleisch besorgen, dass ihre Freundin ihr als traditionelles Julaftensmad empfohlen hatte. Ihre Kinder würden sich dieses Jahr sehr wundern, wenn es solch fremdes Essen geben würde, aber ihr war einfach danach. Die Nisserdamen würden ihr sicher behilflich sein, damit auch alles gelänge. Lisbeth und Nissermormor boten sich an, sie zum Metzger zu begleiten, damit sie auch wirklich das Richtige kaufen könne und so durften die Kinder heute mit den Männern im Keller werkeln, währen de Frauen die Zutaten fürs Weihnachtsessen einkauften. Nur Emilia wollte nicht mit. Sie sagte, sie wolle Ole bitten, ihr den Bus zu leihen, damit sie zu Onkel Waldemar fahren könne. Der hatte gestern angerufen und mitgeteilt, der eifler Weihnachtsschinken sei fertig geräuchert und könne abgeholt werden. Irgendwie hatte Oma den Eindruck, dass die Tage immer viel zu kurz waren für all die Vorbereitungen, die so eine skandinavische Weihnacht mit sich brachte. Sie seufzte, bat die Nisserdamen, in ihre  Handtasche einzusteigen und fuhr dann zum Metzger ins Nachbardorf. Dort sollte sie wohl alles bekommen können, was die Nisserdamen für nötig hielten. Es war ihr zwar ein Rätsel, wie sie es bewerkstelligen sollte, dass die Beiden alles sehen und ihr Ratschläge geben konnten, ohne selbst entdeckt zu werden. Aber das war ihr nun auch egal. Irgendwie würde das schon klappen.

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