6. Dezember Nikolaustag
Emilias Hühnersuppe hatte gestern
allen sehr gut geschmeckt und anschließend saßen sie noch lange gemütlich
beisammen. Es wurde über dieses und
jenes geredet und dabei auch endlich an Lisbeths leckeren Kaneelschnecken
probiert. Sie hatte großzügig für jeden eine herausgerückt mit den Worten: „
Genießt es, bis Weihnachten gibt es nix mehr davon. Höchstens noch zur Feier
des Tages, wenn der Nikolaus kommt. Oder muss man dem nichts anbieten?“ „Nöö“,
rief Ole, der verschenkt ja selber Kekse. Aber singen muss man für den. sowas
wie lustig,lustig trallerallala.“ Das gefiel den Gästen nur allzugut, dazu
könnte man sicher prima hüpfen und tanzen wie es bei ihnen zu Hause zur Weihnacht
üblich ist. Ole sah sie skeptisch an und war sich gar nicht sicher, ob der
Nikolaus tanzende Nisser und Tomte mochte. Da fiel ihm plötzlich ein, dass die
Wunschzettel noch in seiner Küche lagen und er nun wahrscheinlich ein dickes
Problem haben würde. Oma schlief schon lange und alleine käme er nie im Leben
an den Zuckertopf heran, damit er den obligatorischen Zuckerwürfel aufs
Fensterbrett legen könnte. Hilfesuchend schaute er in die Runde und Leo
seufzte: „ Ja ja, schon gut. Ich helf dir. Notfalls machen wir Räuberleiter zu
sechst. Wir haben ja auch noch Leitern im Haus. Das kriegen wir schon hin.
Damit nahm die Gemütlichkeit ein jähes Ende und ein schönes Stück Arbeit lag
vor ihnen. Als Erstes holte Ole beide Leitern aus seinem Haus und schleppte sie
nacheinander in Omas Küche. Leo hatte sich kurz einen Überblick verschafft und
entschied dann, dass man einfach alle Schubladen an Omas Einbauküche öffnen
müsse. Unten ganz viel und jede weitere ein kleines Stückchen weniger und dann
mit der Leiter von einer zur andern steigen, das sollte gehen. Gefährlich sah
die ganze Sache aus und Emilia und Lisbeth schauten ängstlich zu, wie Leo sich
nach oben kämpfte.
Als auch Ole die Kletterpartie hinter sich gebracht hatte,
zogen sie die Leiter nach oben und trugen sie zur Kaffeemaschine. Genau daneben
stand eine kleine Topfblume und dort hinein wurde die Leiter bugsiert.
Ab da wars für einen Nisser ein Kinderspiel bis zum Topf mit den begehrten Zuckerklümpchen zu gelangen. Gemeinsam schoben sie den schweren Deckel beiseite und fischten 2 dicke Klumpen Zucker aus dem Topf.
Ole warf sie auf Omas
Arbeitsplatte, flitzte die Leiter herunter und wollte gerade den Zucker nach
unten auf den Küchenboden werfen, als Emilia schrie: „Nein Ole, nicht werfen!
Der zerplatzt in tausend Stücke und dann kriegen wir Ärger mit Oma, wenn es
morgen früh in der Küche knirscht beim Gehen.“ Ole sah ein, dass sie Recht
hatte und schaute sich suchend um. Er fand ein Päckchen Papiertaschentücher und
flink zog er eines hervor. Ausbreiten, den Zucker darauf ablegen und zu einem
Bündel knoten waren eine seiner leichtesten Übungen. Er schulterte das Bündel
und gemeinsam mit Leo kletterte er den gleichen Weg über die Schubladen wieder
nach unten. Feierlich überreichte er Anders einen der beiden Zuckerklumpen und
gemeinsam brachten sie Wunschzettel und Zucker aufs Fensterbrett. Nun hieß es
hoffen, das die Englein noch unterwegs seien. Sonst wäre alles vergeblich
gewesen. Rechtschaffen müde gingen alle zu Bett und jeder träumte etwas anderes
vom heiligen Nikolaus. Anders hatte von zerplatzten Zuckerklümpchen geträumt
und war früh wieder erwacht. Er schlich sich zum Fensterbrett und mit lautem
Jubel sauste er zu Ole: „ Sie waren da, sie waren da.“ Verschlafen rieb Ole
sich die Augen und fragte: „ Wer war wo? Wie spät ist es und warum weckst du
mich?“ „Die Englein, sie waren da! Der Zucker und die Zettel sind weg! Spät ist
es nicht, es ist früh! Noch dunkel draußen und wecken musste ich dich doch,
damit du bescheid weißt.“ Nun hielt es auch Ole nicht mehr im Bett. Wenn das
wirklich noch geklappt hatte, dann würde wohl tatsächlich heute der Nikolaus ins
Haus kommen. Oma hatte zwar gesagt, sie werde heute mit den Enkeln zum
Weihnachtsmarkt fahren und dort käme auch der Nikolaus, drum müsse sie nicht,
wie im letzten Jahr, für seinen Besuch das ganze Haus auf den Kopf stellen. Manchmal
schicke er ja auch vertretungsweise in der Nacht die Englein mit Geschenken
vorbei, wenn er zu viel zu tun habe. Ole schreckte aus seinen Gedanken auf und war
mit einem Satz aus dem Zimmer und die
Treppe hinunter. Könnte ja sein, dass da Geschenke liegen. „Pustekuchen, nix
da. Anders, ich fürchte, wir kriegen
heute Besuch.“ Bei dem Gedanken daran wurde im mulmig und er beschloss, dass er
nun dringend den Rest der Sippe wecken und Kriegsrat halten müsse. Als alle beisammen
waren, verkündete Ole ihnen, dass sie ein gewaltiges Problem hätten. „Meine
Lieben, es sieht so aus, als ob der Nikolaus doch ins Haus kommt heute, auch
wenn Oma nicht da ist. Ich befürchte, wir müssen mein Haus für ihn herrichten.“
Alle redeten durcheinander und ein heilloses Gerenne und Getrappel durchs ganze
Haus begann. Leo schleppte Tannenzweige an, Emilia kramte die Nikolausteller
hervor, die sie kürzlich erstanden hatte auf dem Weihnachtsmarkt für Trolle,
irgendwo tief in der Eifel und Lisbeth verschwand mit Mads in der riesengroßen
Holzkiste, die Opa in den Keller von Oles Haus bugsiert hatte.
Innerhalb einer
Stunde hatten sie das ganze Haus dekoriert mit allem, was ihnen in die Hände
fiel. Oma und Opa hatten von all dem nichts mitbekommen. Sie schliefen tief und
fest. es war schließlich Sonntag und Opa hatte endlich einmal frei und konnte
ausschlafen. Als Oma aus dem Schlafzimmer trat, wunderte sie sich über die
Geräusche aus dem Puppenhaus im Flur. Es klang irgendwie hektisch und
aufgeregt. Als sie unten ankam, traute sie ihren Augen nicht. Das Haus war hell
erleuchtet und alle Nisser und Tomte waren so beschäftigt, dass sie nicht
bemerkten, wie sie da vor dem Haus stand und belustigt dem Treiben zuschaute.
Nach einer Weile sagte Oma einfach: „Guten Morgen die Herrschaften, gut
geschlafen?“ Mads rote Zipfelmütze schob sich aus der Kiste hervor. „Guten
Morgen Oma, ja, gut geschlafen, nur zu wenig. Dein Nisser hat uns vor Tau und
Tag schon aus den Federn gescheucht.“ „Weils dringend nötig war!“ Das war Ole,
der da von oben auf dem Treppenabsatz herunterrief. Oma schüttelte den Kopf,
begriff überhaupt nichts mehr und beschloss, dass sie einen Kaffee brauche. Mit
der Kaffeetasse in der Hand erschien sie wieder im Flur und versuchte, einen
Überblick zu bekommen. „Gehe ich Recht in der Annahme, dass ihr Besuch erwartet,
lieber Ole? Oder warum sonst stellt ihr das ganze Haus auf den Kopf und
schmückt alles so toll?“ Ole antwortete nicht. er war zu beschäftigt mit der
verflixten Tannengirlande. Sie wollte und wollte nicht leuchten. Anders, der
gerade mit einem kleinen, schwedischen Dalarnapferdchen aus dem Keller kam,
machte sich auf den Weg zum Balkon, um Oma den Sachverhalt darzulegen. „Der Ole
sagt, wenn morgens keine Geschenke vom Nikolaus im Zimmer liegen, dann kommt
der immer persönlich vorbei, um sie abzuliefern und nun fürchtet er, dass uns das heute Abend ins Haus steht. Ich bin ja
so gespannt darauf, ob das wirklich wahr ist, was er da so alles erzählt hat
gestern.“ Oma lächelte wissend und meinte nur: „ Ihr werdet sehen. Wir
jedenfalls fahren gleich nach dem Frühstück zum Weihnachtsmarkt und treffen dort
den Nikolaus. Euch können wir leider nicht mitnehmen Man ist dort nicht an die
kleinen Leute gewöhnt.“ Opa hatte gerade noch den letzten Satz gehört, als auch
er die Treppe herunter kam. „Ein Tag ganz ohne Hausleute ist doch auch mal
schön, oder Ole?“ Das nun hatte Ole gehört und kam auch zum Balkongeländer. „Opa,
das darfst du so nicht sagen. Gestern Abend zum Beispiel hätten wir dich gut
gebrauchen können. Da haben wir dich richtig vermisst.“ Er erzählte von der
Kletterpartie in der Küche und Opa konnte sich bildlich vorstellen, wie Ole
Klimmzüge am Zuckertopf machte. Dann zuckte er mit den Schultern, sagte „tja“, und ging zu Oma in die Küche. Auch er nahm
sich einen Kaffee, schmierte sich ein Marmeladenbrot dazu und schaute dabei auf
die Uhr. „Wir sind spät dran, Liebes. Bist du soweit?“ Sie nickte, zog Schuhe
und Jacke an und schon war sie mit Opa durch die Haustüre verschwunden. Lisbeth
hatte begonnen, wie es in ihrer Heimat Tradition ist, den Fußboden im Esszimmer
mit einer Bürste zu schrubben und Emilia räumte in der Küche den Geschirrspüler
aus.
Mads, Leo und Ole kämpften weiter mit der Girlande im Treppenhaus,
schleppten Weihnachtsbäume von irgendwoher an und schafften sie auf den Balkon.
Damit es schnell ging, hatte
Emilia ausnahmsweise eine Dosensuppe auf dem Herd erwärmt und rief nun alle zum
Essen. Als alle satt waren schlug Ole vor, sich die Zeit damit zu vertreiben,
ein wenig in dem Adventskalenderbuch zu lesen. Abwechselnd sollten sie
vorlesen, es waren ja genau 6 Geschichten für 6 Nisser lesbar ab heute. Der
Nachmittag verging viel zu langsam und die Ungeduld stieg mit jeder Geschichte
ein wenig an. Als sie bei den leeren Blättern angekommen waren, schlug Lisbeth
vor, es dem Nikolaus doch ein wenig hyggelig zu machen, wie die Dänen und
Norweger sagen. Sie sah ihren Mann an und als der nickte, ging sie noch einmal
in den Keller, um etwas aus der geheimnisvollen Kiste zu holen. Ein Hilferuf
von ihr ließ Mads nach unten eilen und ihr dabei behilflich sein, eine
funkelnde und glitzernde Kostbarkeit daraus hervor zu holen. Gemeinsam trugen
sie ihr Mitbringsel nach oben und suchten einen besonderen Platz dafür. Leo und
Emilia staunten nicht schlecht. Eine Krippe kannten sie ja schon, aber was war
das? Da tanzten Wichtel und Schneemänner um einen Weihnachtsbaum einen
Ringelreigen. So etwas Wunderbares hatten sie noch nie gesehen. „Ja, so feiern
wir den Julaften zu Hause. Das macht Spaß.“ Draußen war es mittlerweile dunkel
geworden und eine richtig feierliche Stimmung überkam alle Anwesenden. Es wurde still im Zimmer und in diese Stille hinein hörte man leises Schellengebimmel. „Das
muss er sein!“ rief Ole und verkroch sich in seinen Sessel. Emilia lächelte und
meinte: „Ich schau nach und wenn er es ist, dann bitte ich ihn herein.“ Und
richtig, nach ein paar Minuten kam sie in Begleitung des Nikolaus ins
Wohnimmer.
Er begrüßte alle und bat um ein kleines Lied zu seinen Ehren. Leider
scheiterte das am fehlenden Gesangstalent bei Ole und Leo und der Unkenntnis
der deutschen Nikolausliedern bei den Tomten. Nur Emilia sang tapfer:“ Last und
frohoh uhund munter sein…..“ „Ich sehe, wenigstens
eine hier ist textsicher“, lächelte der Nikolaus und rief nun der Reihe nach
jeden zu sich, befragte ihn über seine Verfehlungen des letzten Jahres und
überreichte zum Schluss die Geschenke.
Als letztes waren Anders und Ole an der
Reihe. Anders erhielt vom Nikolaus ein schönes Buch über die Mäuseweihnacht und
dann noch ein geheimnisvolles Päckchen, welches er mit fliegenden Fingern
auspackte. Mit einem Jubelschrei zog er einen Teddybären aus dem Paket und
rief: „Da ist er ja! Mein Brummbär! Ich hätte nie geglaubt, das ich ihn
wiedersehen werde, seit ich ihn in Padborg auf dem Autohof verloren habe.“
Lächelnd nickte der Nikolaus und stand auf, um sich zu verabschieden. Ole stand
wie ein Häufchen Elend vor ihm. „Ich war wohl nicht brav genug? Oder ist mein Wunschzettel
verloren gegangen?“ Sankt Nikolaus lachte und schüttelte den Kopf. Da ertönten
vor dem Haus Motorengeräusche. „Lieber Ole, ich bin ein sehr alter Mann und
wenn ich zwei Wunschzettel bekomme, wo sich zwei verschiedene Leute das gleiche
wünschen und einer davon wünscht es für den anderen, dann werde ich das wohl
kaum ignorieren können, aber: Dein Geschenk ist selbst für mich zu schwer, um es
zu tragen. Es wurde gerade von meinem Gehilfen, dem Weihnachtswichtel, bis vors Haus geliefert. Schau selbst!“ Alle Höflichkeiten vergessend sauste Ole vors Haus
und jubelte: „Da ist er, da ist er!“ Vor dem Haus stand ein niegelnagelneuer
Rasenmähertraktor. Leuchtend Orange und glänzend, wie er ihn sich gewünscht
hatte.
Auch alle Anderen waren inzwischen vorm Haus angekommen und staunten nicht
schlecht. Der Nikolaus und sein Weihnachtswichtel wollten sich gerade
verabschieden, als Ole ihn noch schnell etwas fragen musste: „Sag mal, lieber
Nikolaus, wer war denn der zweite, der sich für mich den Trecker gewünscht hat?“
Fragend schaute der Heilige seinen Gehilfen an und dieser grübelte eine kleine
Weile, bevor er sagte: „ Das war der kleine Raphael, Omas Enkel. Er hat ganz
eindringlich darum gebeten, seinem besten Freund Ole doch diesen Wunsch zu
erfüllen, da konnten wir gar nicht anders.“
Ole selber fehlten die Worte, aber alle anderen verabschiedeten sich
herzlich von den Beiden und als sie gegangen waren, durfte jeder, der gerne
wollte, mit Ole eine Runde auf dem Trecker drehen. Leo verzichtete und wollte
lieber seine neue Pfeife vom Nikolaus ausprobieren. Lisbeth und Mads gingen
wieder ins Wohnzimmer und bestaunten die wunderbare Winterkleidung, sie sie
bekommen hatten und Emilia begann in ihrem Buch vom Nikolaus zu lesen. Sie
hatte nämlich das gleiche Buch bekommen, wie Ole es besaß. Und so hörte man Ole
und Anders noch eine ganze Zeit lang vor dem Haus herumkurven, bis es Lisbeth
zu dumm wurde und sie etwas von Ruhestörung und Rasen mähen verboten am
Sonntagabend murmelte, bevor sie zum Balkongeländer trat und dem munteren
Treiben ein Ende setze.
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