10.
Dezember
Eigentlich
hatte Oma heute für letzte Weihnachtsgeschenke in die Stadt gewollt. Aber
daraus wurde nichts, weil ja Jettes Eltern immer noch auf der Reise in die Eifel waren und es immer noch keine eigene Haustüre für die Nisser gab. Also hieß es warten
auf die Post. Die Nisser hatten reichlich zu tun mit den Vorbereitungen für
ihren Weihnachtsmarkt. Der sollte nämlich Luziamarkt heißen und am Sonntag, den
13. Dezember stattfinden. Alle hatten zu tun und Omas Scheunentor musste leider
warten. „Es fehlt noch ein Scharnier, das muss geliefert werden.“ Ole stand
zerknirscht vor Oma und überbrachte die schlechte Nachricht. Sie hatte es mit
einem tiefen Seufzer hingenommen und sich damit abgefunden, dass sie wohl vor
diesem geplanten Markt nicht mehr mit der Reparatur rechnen durfte. In der
Küche lag noch ein angefangenes Paar Socken für einen der Enkelsöhne. Also
beschloss sie, sich die Zeit der Wartens auf die Post damit zu vertreiben, sie
endlich fertig zu stricken. Genau in dem Moment erschien aus heiterem Himmel
Leo in ihrer Küche. „Hör mal Oma, ich hab dir einen Vorschlag zu machen.“ Sie
schaute von ihrem Strickzeug auf und wartete darauf, dass er weiterreden würde.
„Nun ja, Emilia und ich würden gerne umziehen und unsere Wohnung Jette und
ihrer Sippe überlassen. Du hast so viele schöne Puppenhäuser und Emilia hat
jetzt schon ein paar Mal tief geseufzt, wenn sie Oles tolle Küche wieder
verlassen musste. Ich glaube, sie hätte auch gerne einen Elektroherd und
Kühlschrank. Wir wohnen ja dauerhaft bei dir, da wäre es toll, wenn wir eines
deiner anderen Häuser renovieren und beziehen dürften. Die geheime Wohnung
unter der Treppe ist passender für Besucher, die zu Hause auch so wohnen.“ Oma grinste. Darauf hatte sie schon lange
gewartet. „So so , ihr wollt umziehen? Habt ihr euch denn auch schon
entschieden, welches Haus ihr beziehen möchtet?“ Leo druckste ein wenig herum
und dann sprudelte es aus ihm heraus: „ Du hast doch noch so eins, wie Ole
bewohnt. Eins mit Keller und Balkon. Das würden wir gerne nehmen, wenn es dir recht
ist. Es hat zwei Schlafzimmer und falls wir mal unsere Familie vergrößern
möchten, müsstest du nicht anbauen. Der Keller ist ne prima Sache, da kann ich
eine Werkstatt drin einrichten mit all den Sachen von Onkel Waldemar. Der will
sich zur Ruhe setzen.“ „Familie
vergrößern?“ Oma glaubte, sich verhört zu haben. „Ist bei euch Nachwuchs im
Anmarsch? Muss ich Babybetten besorgen? Leo, nun sag schon!“ Leo lachte: „Nein,
keine Bange, noch nicht, aber es könnte ja passieren, oder?“ Erleichtert griff
Oma wieder zum Strickzeug und nickte bedächtig. „Ihr könnt das Haus haben, aber
ich sag euch gleich: Vor Weihnachten hab ich keine Zeit mehr, mit euch
irgendwas zu tapezieren oder so. Ihr müsst es mit den alten Tapeten nehmen und
wenn es irgendwelche Probleme gibt, müssen die anderen Nisser euch behilflich
sein.“ Leo hüpfte vor Freude und sauste zu den anderen in den Flur. „Wir
kriegen das Haus, und wir dürfen umziehen. Das ist das beste Weihnachtsgeschenk
aller Zeiten. Helft ihr uns? Dann kann Jette in unsere Wohnung einziehen, wenn
ihre Familie da ist.“ Es klingelte an der Haustüre. Oma öffnete und stand einer
genervten Postbotin gegenüber . "Gute Frau, ich werde mich weigern, ihnen
weitere Pakete zu liefern. So geht das nicht weiter. Gestern ein Paket, das
gejammert hat, heute eins, das schimpft wie ein Rohrspatz. Meine armen Nerven!“
Oma erhaschte einen Blick auf den Absender und wusste sofort, wer oder was der
schimpfende Inhalt des Paketes sein musste, dass die Postbotin immer noch in
der Hand hielt. Sie entschuldigte sich mehrfach und versprach hoch und heilig,
dafür zu sorgen, dass so etwas nicht wieder vorkomme. Dann quittierte sie den
Erhalt des Paketes und ging kopfschüttelnd damit in ihre Küche. Dort hatte sich
schon die ganze Nisserbande auf ihrem Küchentisch eingefunden und wartete
gespannt darauf, dass sie es öffnete. Kaum hatte sie das Paketband
zerschnitten, da sprang auch schon der Deckel auf. „ Endlich, das hat ja ne
Ewigkeit gedauert!“grummelte eine tiefe Stimme und Jette schrie: „ Opa, da
bist du ja.“ Zwei Köpfe schoben sich über den Rand des Paketes und mit einem
Satz standen zwei weitere Nisser auf Omas Küchentisch. Jette stürmte auf die
beiden zu und wurde von ihrer Oma sofort auf den Arm genommen und geherzt
und geküsst.
„Das ich nur wieder bei dir bin, Liebes. Das machen wir nie
wieder. Getrennte Reisen, nur um Porto sparen, gibt es nicht mehr. Hörst du,
Nisservater?“ Zerknirscht antwortete
der: „ Ja, ja, schon gut. Es ist sowieso beschlossene Sache, das ich nie wieder
Kopf über, Kopf unter in einem Paket mit der Post verreisen werde. Ich fürchte,
wir werden länger hier verweilen müssen als geplant.“ Ole hatte sich zwischen
all den Anderen nach vorn geschoben und begrüßte, die beiden Neuankömmlinge. „
Hallo, da seid ihr ja. Ich freue mich so, euch wiederzusehen. Tut mir leid,
dass ihr so eine unbequeme Reise hattet, aber ich wusste mir keinen anderen
Rat, als euch die Reise im Paket zu empfehlen.“ Ein Räuspern ließ ihn verstummen. „Liebe
Nisserfamilie aus Odense! Willkommen in meinem Haus. Ich bin Oma und freue mich
sehr, euch kennenzulernen. Darf ich euch zu einem guten Frühstück einladen? Bei
der Gelegenheit können wir dann auch besprechen, wo ihr unterkommt.“ Damit
waren nicht nur die neuen Gäste einverstanden, nein auch der Rest der Bande
merkte, dass sie vor lauter Vorbereitungen für den Luziamarkt total vergessen
hatten, wie nötig sie ein Frühstück hatten. Es war also beschlossen. Oma holte
weitere Sitzgelegenheiten, Geschirr und beim Bäcker die berühmten Olebrötchen
und dann ging es ans Schmausen. Alle redeten durcheinander und da sich Dänisch
mit Deutsch mischte, war es auf die Dauer doch sehr anstrengend, den Gesprächen
zu lauschen. Sie wandte sich wieder dem Strickzeug zu und überließ die Nisser
sich selbst. Erst als es ganz still geworden war in ihrer Küche, bemerkte sie,
dass alle verschwunden waren. Alle? Nein! Anders saß marmeladenverschmiert am
Tisch und schleckte die letzten Reste aus dem Glas.
„Aber Anders, wie siehst du
denn aus? Haben wir keine Löffel? Und überhaupt gehört Marmelade aufs Brot und
nicht in deine Ohren und Haare.“ Anders
zuckte zusammen. Erwischt! Mist! Er zog seine Hand aus dem Marmeladentopf und
sah Oma mit einem Dackelblick an, der Steine hätte erweichen können. „Die war
so lecker Oma, da konnte ich nicht widerstehen.“ Oma hatte sichtlich Mühe,
streng zu bleiben und schickte ihn ins Bad, um sein Gesicht zu waschen. Als sie nachschauen wollte, wohin die anderen verschwunden waren, hörte sie von oben von der
Dachbodentreppe: „Sieht gemütlich aus, aber es gibt kein Bett, in das wir hineinpassen.“
Das war die Stimme des Nissergroßvaters, dessen Name sie immer noch nicht wusste.
Das sie daran auch nicht selber gedacht hatte. Er war um einiges größer als die
anderen Nisser und würde sicher ein großes Bett brauchen. Der Rest der Einrichtung
bedürfte sicher auch einer Sichtung und müsste ausgetauscht werden. Dann aber
hatten die Gäste ein Platzproblem.
Sie brauchte dringend eine Denkpause. Das
bedeutete bei ihr immer Kaffee kochen. Genau das tat sie und während sie
grübelnd in ihrer Tasse rührte, kam Ole angeschlichen. „Oma, wir brauchen
Hilfe. Magrete Nissermormor und Bengt Nissermorfar passen nicht in deine Möbel unter
der Treppe. Was machen wir nur? Ich hab ihnen eine feine Ferienwohnung
versprochen, wenn sie kommen.“ „Schhhh, Ruhe, ich denke!“ Oma wiegelte ab und
rührte weiter in ihrem Kaffee. Ole tänzelte nervös von einem Fuß auf den
anderen. Als sie endlich am Kaffee nippte und das Gesicht verzog, musste Ole
lachen. „Na, schon wieder kalt?“ Oma schob die Tasse beiseite und ging
mit den Worten: „ Ich glaub, ich hab die Lösung des Problems gefunden“, ins
Obergeschoss, öffnete den Vitrinenschrank und griff nach einem Bett in
passender Größe. Sie bat Nissermorfar und Nissermormor, es sich anzuschauen. Ein
kurzes Probeliegen und die beiden bedankten sich herzlich für das Bett. Oma
versuchte, es in der Wohnung unterzubringen, aber es konnte nirgendwo richtig
stehen. So ging das nicht. Da musste eine andere Lösung her. Oma schaute sich
die Vitrine an. Die Sache war klar. Die Ferienwohnung würde in die Vitrine
verlegt werden müssen. Es wurde
geschoben, gestapelt und umgeräumt und am Ende war eine echt prima
Nisserbehausung entstanden. Bente
Nissermorfar schleppte den großen Koffer heran, in dem sich die wichtigsten Sachen
von zu Hause befanden, räumte ihn gleich aus und schob ihn in eine Ecke im Kleiderschrank.
Alles war wunderbar, doch halt, etwas fehlte! Es gab kein Bett für klein Jette.
Doch auch dafür wusste Oma Abhilfe und kurze Zeit später lag sie auch schon im
Bett und sollte Mittagsschlaf halten.
Oma konnte endlich an ihr Strickzeug
zurückkehren, Lisbeth und Emilia verschwanden in Oles Küche und die Übrigen
zogen sich wieder in den Keller zurück, wo man sie bald wieder hämmern und
sägen hörte. In der Vitrinenwohnung war
es auch ein wenig still geworden. Nissermorfar saß am Tisch, rauchte eine Pfeife
und schaute seiner Frau zufrieden zu, wie sie ihre neue Küche inspizierte. So
verging der Nachmittag wie im Flug und als Opa heimkehrte, hatte Oma ihm eine
Menge zu berichten.
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