7. Dezember
Oma und Opa waren gestern Abend erst spät vom Weihnachtsmarkt zurück gekommen und
hatten mit einem Blick ins Puppenhaus gesehen, dass dort schon Ruhe eingekehrt
war. „Nun gut, dann bekommen sie ihr Geschenk von uns eben erst Morgen. Macht
ja nix.“ Oma war sogar echt froh, dass sie nun endlich ohne Trubel den Abend
genießen konnte und mit einer feinen Tasse Tee machten sie und Opa es sich auf
dem Sofa gemütlich. Oma holte noch ein paar Kekse aus der Küche und schielte im
Vorbeigehen auf das Puppenhaus. „Was ist denn das da vor dem Haus?“ entfuhr es
ihr und eilig holte sie Opa herbei.
Staunend standen sie da und bewunderten
Oles Rasenmähertraktor. „Mir schwant da was“, meinte Opa und erzählte Oma, dass
Raphael hatte helfen müssen, einen Wunschzettel an den Nikolaus zu schreiben. „Ach daher weht der Wind!“ Oma lachte und begann
damit, sich vorzustellen, wie es im Sommer wohl zugehen würde. Sie saß auf dem
Sofa neben Opa und musste immer wieder laut lachen bei all den Bildern in ihrem
Kopf. Opa grinste. Er wusste nur zu gut, was sie zum Lachen brachte und nach
einer Weile begannen die beiden, sich gegenseitig ausmalen, was Ole mit dem
Ding anstellen würde, wenn erst einmal das Gras wieder hoch genug sei. Lachen
und die viele frische Luft auf dem Weihnachtsmarkt machen müde und so gingen
die Beiden recht früh zu Bett. Opa musste ja, wie immer, früh aus dem Haus. Viel
zu schnell war die Nacht vorbei, Opa kochte sich gerade seinen Kaffee, da hörte
er im Flur Motorengeräusche. Gleich danach gab es einen fürchterlichen Rumms
und sofort folgte ein: „Mist, Mist, Mist.“ Wie der Wind eilte Opa in den Flur,
wo er auch gleich die Bescherung sah. Ole hatte die Scheunentüre gerammt.
Wie
sollte es auch anders sein, natürlich mit dem Rasenmäher. Aus den Angeln
gerissen, einfach so. „Oweh, oweh, mein schöner Trecker!“ jammerte Ole
unentwegt und untersuchte sein Gefährt auf eventuelle Kratzer. „Ole Nisser! Was
um Himmels Willen hast du gemacht? Du hast das schöne Puppenhaus demoliert. Da
wird die Oma aber fürchterlich traurig sein.“ schimpfte Opa und Ole schaute ihn
verdattert an. Über das Scheunentor hatte er noch gar nicht nachgedacht. Der
Trecker war wichtiger für ihn. Schuldbewusst sah er Opa an und senkte den Kopf.
„Was machen wir denn nun, Opa?“ „Wir? Frag lieber, was du machst. Ich fahre
jetzt zur Arbeit, mein Lieber und ich möchte auch nicht dabei sein, wenn meine Frau die Bescherung sieht.“ „Kannst du
die nicht schnell reparieren?“ Ole sah ihn bittend an. „Tut mir leid, keine
Zeit, ich muss los!“ Opa konnte sich das
Lachen kaum verkneifen, griff nach seiner Tasche und begann damit, seine
Frühstücksdose und die Thermoskannen zu verstauen. Er nahm seine Jacke vom
Haken, trank den letzten Schluck Kaffee und verschwand durch die Türe. Ratlos
stand Ole vor der Scheune. Er musste nachdenken. Das ging am besten im Sitzen und
so setzte er sich auf seinen Trecker und grübelte. Die kaputte Türe musste erst
mal verschwinden, soviel war klar. Und dann musste das Loch in der Scheunenwand
verschwinden. „Na klar! So geht es! Das ich da nicht gleich drauf gekommen bin.“
Er sauste die Treppe hinauf, klopfte bei Leo und wartete ungeduldig, dass
endlich die Türe aufging. Leo streckte seinen verwuschelten Kopf aus dem Türspalt. „Was ist
los? Brennt es schon wieder?“ „Viel schlimmer! Bitte, du musst mir unbedingt
helfen, bevor Oma aufsteht.“ Oles Tonfall ließ ihn nichts Gutes ahnen und
seufzend trat er ganz aus der Tür heraus. „Dauert das lange? Dann sag ich Emilia
bescheid.“ Entsetzt rief Ole viel zu laut: „Bloß nicht, ich hab schon Ärger
genug.“ Leo zog die Brauen hoch und nickte. Er verstand zwar rein gar nichts,
aber je schneller er seinem Freund geholfen hatte, desto früher war er wieder
in seinem warmen Bett. Als die beiden unten im Flur beim Puppenhaus
angelangten, stand Mads schon vor dem Haus. Der Krach hatte ihn aufgeweckt. Ole
rief: „ Oh, Mads, dich können wir gut gebrauchen. Wir müssen ein kaputtes
Scheunentor verschwinden lassen und die Weihnachtsbäume vom Balkon herunter
holen und vor das hässliche Loch stellen, damit Oma nix merkt.“ Mads sah ihn
nur an und verschwand anschließend wieder einmal in seiner großen Kiste im
Keller. Kurze Zeit später kam er mit Werkzeug in der Hand zurück. „Ich schau
mal, ob ich es richten kann. Wir Tomte sind ja geschickte Handwerker und helfen
auch dem Julemand bei der Herstellung der Weihnachtsgeschenke.“ Er besah sich
den Schaden genauer und schüttelte den Kopf. „Auf die Schnelle ist da nix zu
machen. Wir müssen das Tor in den Keller tragen, damit ich es reparieren kann.
Da müssen Teile erneuert werden, die zerbrochen sind. Das wird ein wenig länger
dauern.“ Mit vereinten Kräften schafften sie es wirklich, das schwere Tor in
den Keller zu schleppen.
Dann trugen sie unter Ächzen und stöhnen alle Weihnachtsbäume
vor die Scheune und hofften darauf, dass Oma nichts bemerken würde.
Rasch kroch
jeder wieder in sein warmes Bett um den Rest der Nacht noch ein wenig zu
schlafen. Einzig Ole wälzte sich in seinem Bett herum. Das schlechte Gewissen
hielt ihn wach. Als Oma aufstand, hörte er sie sofort und kroch tiefer unter
seine Decke. Doch nichts passierte. Sie ging wie immer in die Küche. Er hörte
die Kaffeemaschine rattern und spucken. Leise schlich er sich in die Küche,
kletterte auf den Tisch und nahm still seinen Platz am Puppentisch ein und
wartete darauf, dass sie sich mit ihrem Kaffee zu ihm setzen würde. Oma drehte
sich um, kam zum Tisch und schaute erstaunt auf den frühen Gast. „Schon wach?
Das ist aber eine seltene Freude, dich so früh hier zu sehen.“ „Bin schon
gaaaanz lange wach“, antwortete Ole und sah dabei so todunglücklich aus, dass
Oma sofort wusste. irgendwas ist passiert. Sie kannten den kleinen Racker viel
zu gut, um nicht zu sehen, dass er große Sorgen hatte. Fragend schaute sie ihn
an. „ Was ist los? Mit dir stimmt doch etwas nicht. So kenne ich dich ja gar nicht.
Hast du was ausgefressen und brauchst Hilfe?“ Bevor Ole sich überlegen konnte,
was er antworten solle, ertönten aus dem Puppenhaus Hammerschläge und eine Säge
machte ritsch ratsch, ritsch ratsch. Oma zog erstaunt die Brauen in die Höhe: „Was
geht hier vor? Du sitzt wie ein Häufchen Elend in meiner Küche und sagst kein
Wort und da drüben wird ein Lärm gemacht, der könnte selbst Tote erwecken.“ Ole
schwieg eisern. Da wurde es Oma zu bunt und sie ging, um selbst nachzuschauen,
zu Puppenhaus. Sie versuchte vergeblich, durch das Fenster etwas zu erkennen
und
öffnete dann entschlossen die Türe zum Keller.
Dort standen Leo und Mads und
werkelten an etwas rotem herum. Ohne Brille konnte sie es im Halbdunkel des
Kellers nicht erkennen und musste nachfragen, woran die Beiden da arbeiteten. Lügen
können Nisser und Tomte nicht und so erfuhr Oma doch vom zerstörten
Scheunentor. Traurig besah sie sich den
Schaden.
Diesen Ole konnte man aber auch wirklich nicht alleine lassen. Mads beeilte
sich, ihr zu versichern, dass er den Schaden beheben könne und hoffte, damit
das Donnerwetter von Ole abzuwenden. Wortlos nickte Oma und ging zurück in die
Küche. Dort saß Ole wie ein Häufchen Elend am Tisch und wartete darauf, dass
Oma ihn ordentlich zur Schnecke machen würde. Doch nichts geschah. Absolut
nichts. Er hob den Kopf und sah eine Träne über ihre Wange laufen. Das nun war
zu viel für ihn. Er lief über den Tisch und kletterte in Windeseile an ihrem
Arme herauf bis zu ihrem Gesicht. Vorsichtig
wischte er die Träne weg und sagte: „Oma, ich wollte dass doch nicht, es war ein
Unfall. Und wenn ich gewusst hätte, wie traurig das dich macht, dann hätte ich
erst gar nicht versucht, in die Scheune zu fahren. Es tut mir so schrecklich
leid, nicht mehr weinen, bitte.“ Oma schniefte und nahm in die Hand. „Ole, du
bist ein Nisser und immer ungestüm. Ich hätte das wissen müssen und besser
gestern Abend den Trecker gleich weggeräumt. Trotzdem bin ich traurig. Es ist
so schwer, ein solches Haus zu finden und du weißt selber, dass es nicht einfach
war, es aus dem Urlaub für dich mit nach Hause zu nehmen.“ Er nickte schuldbewusst.
Doch gleich danach hatte er eine Idee und strahlte wieder. Oma, du hattest doch
das Haus von außen renovieren wollen. Können wir dir dabei nicht ein wenig
helfen? So als Wiedergutmachung sozusagen?“ Sie sah in ungläubig an: „Ihr wollt
das Haus renovieren? Darüber möchte ich lieber mit euch allen zusammen reden bei Gelegenheit. Sowas will gut überlegt sein.“
Ole war froh, dass er sie ein wenig hatte ablenken können und verschwand aus
der Küche, um im Keller mit den beiden anderen am Scheunentor zu arbeiten und
dabei gleich seine neue Idee zu präsentieren. Oma las ihre Zeitung und begann
dann mit ihrem Tagwerk und auch im Puppenhaus wurde gewerkelt, teils hinter
verschlossenen Türen, teils aber auch gut sichtbar und zu erschnuppern für
Leckermäuler. Lisbeth zeigte Emilia, wie man spezielle Julekager macht und Anders
flitzte mal hierhin mal dorthin und war überall im Weg. Als Opa abends nach
Hause kam, war zwar das Scheunentor noch nicht ganz repariert, aber es hatte
große Fortschritte gemacht und er freute sich, dass Oles Unfall noch so glimpflich
abgegangen war.
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